Mit dem Pariser Vertrag nach Europa
Südtirol ist keine rein inneritalienische Angelegenheit, dafür hat der Pariser Vertrag gesorgt. Österreich wird mit ihm zur Schutzmacht, Südtirol zu einer bilateralen Angelegenheit. Ist der Pariser Vertrag mit dem EU-Beitritt Österreichs aber Schnee von gestern? Übernimmt nun die EU den Schutz der Südtiroler? Weder noch: der Vertrag ist so wichtig wie eh und je.
Am 5. September 1946 haben die Außenminister
Österreichs und Italiens,
Karl Gruber und Alcide Degasperi,
in Paris ein Abkommen zum Schutz der
deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol
unterzeichnet. Der Pariser Vertrag ist zum
Zeitpunkt seiner Unterzeichnung sowohl in
Südtirol als auch in Österreich als inhaltlich
dürftig und als unzureichende Alternative
gegenüber der Selbstbestimmungsoption
auf massiven Widerstand gestoßen. Seither
sind 60 Jahre vergangen.
In dieser Zeit hat das Vertragswerk eine
ungeahnte Dynamik entwickelt und ist zu
einer Magna Charta der in Südtirol lebenden
Volksgruppen geworden.
Der Pariser Vertrag bildet – zusammen
mit den 137 Paket-Maßnahmen des Jahres
1969 – die völkerrechtliche Grundlage der
Sonderautonomie Südtirols. Diese ist daher
nicht nur verfassungsrechtlich verankert,
sondern auch international – gegenüber
dem Vertragsstaat Österreich – abgesichert.
Dem folgend führte der Verfassungsgerichtshof
im Jahr 1989 in seinem Urteil Nr
242/1989 aus, dass die Autonomie der Region
Trentino-Südtirol im Allgemeinen und
jene der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol
im Besondern auf das Gruber-Degasperi-
Abkommen zurückzuführen sei. Drei Jahre
später, am 22. April 1992, übermittelte
Italien mit einer Verbalnote Österreich sowohl das Sonderstatut der Region Trentino-
Südtirol als auch eine Liste der Durchführungsakte
der Maßnahmen zugunsten der
Südtiroler Bevölkerungsgruppen. Erst nach
Überprüfung derselben gab Österreich am
19. Juni 1992 die Streitbeilegungserklärung
ab und beendete damit – unter ausdrücklicher
Bezugnahme auf die von Italien übermittelten
Durchführungsakte – den im Jahre
1960 vor den Vereinten Nationen eröffneten
Streit über die Durchführung des Pariser
Vertrages.
Daneben bildet der Pariser Vertrag die
rechtliche Grundlage der Schutzfunktion
Österreichs. Österreich kann als Vertragspartei
des Abkommens von Italien die
Erfüllung der darin übernommenen Verpflichtungen
verlangen und deren Einhaltung
überwachen. Entsprechende Schritte
Österreichs sind völkerrechtlich gedeckt
und stellen keine verbotene Einmischung
in interne Angelegenheiten Italiens dar. Von
dieser Schutzfunktion hat Österreich in den
vergangenen 60 Jahren mehrfach – und mit
Erfolg – Gebrauch gemacht.
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Walter Obwexer