Autonomie für alle
Der Weg der Südtiroler vom Pariser Vertrag über die Scheinautonomie von 1948, die „Paketschlacht“ von 1969 bis zum Zweiten Autonomiestatut und dessen Umsetzung war beschwerlich. Heute profitieren nicht nur die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler von der Autonomie: Die einstigen Schutzschilder Proporz oder Sprachgleichstellung sind Garanten für das gute Zusammenleben der drei Sprachgruppen geworden.
Sollte es sich herausstellen, dass die Südtiroler
zum Überleben in ihrem angestammten
Kulturraum einen Hubschrauber
brauchen“, so Alt-Landeshauptmann
Silvius Magnago, der „Vater“ der Südtirol-
Autonomie, „dann hat der italienische Staat
jedem Südtiroler einen Hubschrauber zur
Verfügung zu stellen“. Für diese Forderung,
die Magnago vor gut 30 Jahren stellte und die
er immer wieder mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit
vortrug, stieß er einerseits auf Unverständnis,
andererseits machte er aber mit
dem übertriebenen Gleichnis deutlich, dass
Sprachminderheiten mit ganz eigenen und
gezielten Maßnahmen zu schützen sind und
dass für diesen Schutz keine Grenzen „nach
oben“ gesetzt sind. Zudem wollte Magnago
damit bildlich darlegen, dass man von vornherein
nie wissen könne, was Sprachminderheiten
im Verlaufe der Zeit zum Überleben
brauchen. Ebenso von Magnago stammt die
Mahnung, dass es ungerecht und falsch wäre,
Ungleiches gleich zu behandeln, d.h. dass
spezifische Situationen und Erfordernisse
nur mit Sondermaßnahmen und eigenen
Regelungen zu lösen sind, und er konnte sich
dabei auf den Artikel sechs der italienischen
Verfassung stützen: „Die Republik schützt
mit besonderen Bestimmungen die sprachlichen
Minderheiten.“
Die Südtiroler haben es sicher einmal einer
Vielzahl von glücklichen Umständen zu
verdanken, dass sie im Verlaufe von 60 Jahren
zähen Ringens eine Autonomie erreicht haben,
die bezogen auf ihren Inhalt (also auf die
Zuständigkeiten und das Ausmaß der Selbstverwaltungsmöglichkeit)
als sehr umfassend,
wenn auch nicht als vollkommen bezeichnet
werden kann. Die Südtiroler sind heute eine der ganz wenigen Sprachminderheiten in Europa,
welche ein zahlenmäßiges Wachstum
verzeichnen kann, und dies trifft nicht nur
für den deutschsprachigen Anteil, sondern
auch auf die kleinste (und damit am ehesten
gefährdete) Sprachgruppe der Ladiner zu. Als
beispielhaft und damit allenfalls als Modell
für andere Sprachminderheiten kann auf alle
Fälle das „Werden“ dieser Südtirol-Autonomie
bezeichnet werden. Die Grundvoraussetzung
war sicher einmal, dass die Südtiroler deutscher
und ladinischer Zunge der faschistischen
Unterdrückung und den nachfolgenden
Assimilierungsversuchen standgehalten haben,
und diese ethnischen Vereinnahmungsversuche
vonseiten des faschistischen und
auch des demokratischen Italien letztendlich
auch wesentlich dazu beigetragen haben, dass
die beiden Sprachminderheiten in ihrem angestammten
Mutterkulturraum als Deutsche
und Ladiner überleben wollten und heute zu
ihrer Sprache und Kultur stehen.
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Franz Volgger