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Dienstag 24.10.2006, 20.30 Uhr - Einführung in den indischen Film |
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IndiensKino: Nicht nur kleine Liedchen
Cecilia Cossio (Universität Ca’ Foscari Venedig)
Mit: Stefano Giordano (Filmexperte, Trient)
Das indische Kino gibt es seit über einem Jahrhundert. In dieser Zeit wurden mehr als 70.000 Filme in den zahlreichen Sprachen des Landes gedreht.
Die Anfänge erfolgten sozusagen zeitgleich mit der Geburt des europäischen Kinos, am Ende des 19. Jahrhunderts.
Der erste Dokumentarfilm stammt aus dem Jahr 1913 (Raja Harishchandra, von Dhundhiraj Govind Phalke); der erste Tonfilm (Alam Ara) entstand 193 1 und trägt den Namen der Hauptdarstellerin (Regie: Ardeshir Irani).
Mit Alam Ara, von dem es keine Kopie mehr gibt, wird Hindi zur Sprache des „panindischen“ Kinos, das sich damit weitab vom sanskritischen offiziellen Idiom ansiedelt und sich hingegen an der arabisch-persischen Tradition bereichert, welche ein wichtiger Teil der synkretischen Kultur Indiens ist.
Gerade dieser panindische Aspekt der Filme in Hindi empfiehlt eine Einengung unserer Präsentation auf diese. Alam Ara schafft auch die Grundlage für eine Tradition, welche auf existierende Schauspielformen aufbaut und zum Charakteristikum des gesamten indischen Kinos wird: nämlich die konstante Präsenz von gesungenen und getanzten Sequenzen, welche die Erzählung, über ihre eigentlichen Grenzen hinweg, um neue Bedeutsamkeiten bereichern.
Die (mehr oder weniger durchgezogene) Fusion dieses Elements mit dem Erzählstoff des Films entscheidet häufig über dessen Erfolg.
Ab dem Ende der 60er Jahre lassen sich im indischen Kino zwei Wege erkennen: der mainstream, heute bekannt als „Bollywood“, der sich auch außerhalb des Landes als neue Dimension der Leinwand duchsetzen konnte und die „Parallel-Bewegung“ auch „neues Kino“ genannt, welches heterogene Inspirationen und Hoffnungen sammelt und im Rahmen internationaler Festivals bekannter ist als beim Publikum daheim.
Seit kurzem lässt sich allerdings die Bemühung einiger „Parallell“-Filmemacher erkennen, eine Sprache anzuwenden, welche den indischen Zuschauern geläufiger ist, sodass man auf eine bessere Zukunft hoffen kann.
„Mein herzlicher Dank gilt dem bekannten Kinoexperten und Kurator verschiedener Filnmreihen in Indien und im Ausland, unserem Freund Amrit Gangar.“ (Cecilia Cossio) |
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Dienstag 31.10.2006, 20.30 Uhr - Filmvorführung |
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“Devdas” von Sanjay Lila Bhansali (Indien 2002, 80’)
In Originalsprache (Hindi) mit italienischen Untertiteln
Es nehmen Teil: Cecilia Cossio (Universität Ca’ Foscari Venedig), Stefano Giordano (Filmexperte, Trient)
Sujet: S.C. Chattopadhyay, Drehbuch: Sanjay Lila Bhansali, Prakash Kapadiya; Kamera: Binod Pradhan; Schnitt: Bela Segal; Kostüme: Abu Jani, Sandip Khosla, Nita Lalla, Raza Shariffi; Musik: Ismail Darbar, Birju Mahraj, Monty; Texte: Nusraf Badr, Samir; Choreogr.: Saroj Khan, Birju Mahraj, Vaibhavi Merchant; Darsteller: Aishvarya Ray (Paro), Madhuri Dikshit (Chandramukhi), Shah Rukh Khan (Devdas), Jackie Shroff (Chunnilal); Prod.: Bharat Shah
Paro (Kurzform von Parvati) und Devdas sind zwei junge Brahmanen. Aus bescheidenen Verhältnissen die eine, Sohn einer reichen Familie der andere. Die beiden, die schon als Kinder unzertrennlich waren, treffen sich als Erwachsene, nachdem Devdas das Studium in London (im Originaltext in Kalkutta) absolviert hat, wieder und verlieben sich ineinander. Ihre Träume zerbrechen an der Familie Devdas, die einer Heirat nicht zustimmt. Paros Eltern geben sie daraufhin einem reichen und angesehenen Witwer mit erwachsenen Kindern zur Frau. Paro muss das unerwünschte Schicksal annehmen und erfüllt ihre neuen Aufgaben, so wie es sich für eine vorbildliche Frau und Mutter gehört, ohne jedoch ihre große Liebe zu vergessen.
Devdas flüchtet sich in den Alkohol und in eine Beziehung mit der schönen Kurtisane Chandramukhi, welche beschließt sich ihm zu widmen. Als es ihm immer schlechter geht und er dem Ende nahe ist, versucht er Paro wiederzusehen, so wie er versprochen hatte, aber nicht einmal der Tod kann sie vereinen. Nach dem Erfolg des gleichnamigen Romans aus dem Jahr 1917 von Sharat Chandra Chattopadhyay, wurde diese tragische Liebesgeschichte, die in Indien so bekannt ist wie jene von Romeo und Julia im Westen, mehrfach und in zahlreichen Sprachen verfilmt. Bereits 1928 wurde ein Stummfilm mit diesem Titel gedreht, zum Kultfilm wurde die erste Tonfilmausgabe aus dem Jahr 1935 in der doppelten (und unterschiedlichen) bengali und hindi Version vom assamischen Regisseur Pramtesh Chandra Barua. Der Film von S.L. Bhansali ist eine der letzten Ausgaben, entspricht aber voll den Vorgaben Bollywoods: schöne Darsteller, herrliche Kostüme, unwiderstehliche Tänze und Gesänge, böse Hexen und freundliche Feen, Aufopferung und Rebellion, Eros und Thanatos, Befreiung und Selbstzerstörung. Dazu Zitate aus Klassikern der Vergangenheit. |
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Dienstag 7.11.2006, 20.30 Uhr - Filmvorführung |
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“Naseem” von Said Akhtar Mirza (Indien 1995, 80’)
In Originalsprache (Hindi) mit italienischen Untertiteln
Es nehmen Teil: Cecilia Cossio (Universität Ca’ Foscari Venedig), Stefano Giordano (Filmexperte, Trient)
Originaltitel: Nasim; Sujet: Said Akhtar Mirza & Ashok Mishra, Kamera: Virendra Saini; Schnitt: Javed Sayid; Musik: Vanraj Bhatiya; Darsteller: Kaifi Azmi (Großvater), Kulbhushan Kharbanda (Vater), Surekha Sikri (Mutter), Mayuri Kango (Nasim); Prod.: NFDC-Durdarshan
Am 6. Dezember 199 2 zerstören extremistische Hindus das Babri Masjid, eine Moschee in Ayodhya (Uttar Pradesh) aus dem Jahr 1528, die den Tätern zufolge – auf den Ruinen eines Hindu-Tempels erbaut wurde, der die Stelle bezeichnete, an der Ram geboren wurde, die siebte Inkarnation des Gottes Vishnu. Auf die Zerstörung der Moschee folgten lange, blutige Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems in verschiedenen Teilen Indiens mit über 2000 Toten (hauptsächlich Moslems).
Vor diesem Hintergrund spielt die Geschichte Nasims, eines 15jährigen moslemischen Mädchens aus Bombay (ein Ort, wo schlimmere Gräueltaten geschehen als sonst wo). Die Erzählung wird über einen Zeitraum von sechs Monaten geführt, verdichtet sich in drei Tagen und endet mit dem Tod von Nasims Großvater an eben diesem 6. Dezember. Es gibt keine Szenen von interkulturellen Zusammenstößen, sondern nur banale „Alltäglichkeiten“, wie der „zufällige” Tod einer Nachbarin. Die Geschehnisse in Ayodhya, die Spannung, der Hass und die Angst werden über kurze, geraffte Dialoge und Auszüge aus den Fernsehnachrichten eingestreut. Nasim wird durch diese nur gestreift, dank ihrer speziellen Beziehung zu ihrem kranken Großvater (interpretiert durch einen unvergesslichen Kaifi Azmi, berühmter Urdu-Dichter der progressiven Schule), der sie mit seinem unerschöpflichen Reichtum an Erinnerungen, verstehen lehrt, was wirklich wichtig ist. In diesen Erzählungen kommen immer wieder zwei Freunde, die ihn ein Leben lang begleitet haben, vor, ein Moslem und ein Hindu. Die Erinnerung an eine gemeinsame Kultur, auch während äußerst tragischer Ereignisse, wie die Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947, bezeugt die Wahrheit eines interkulturellen Zusammenlebens, das nicht immer friedlich, aber häufig herzlich verläuft und das durch die Interessen verschiedener Seiten erdrückt werden soll. |
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Dienstag 14.11.2006, 20.30 Uhr - Filmvorführung |
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“Hazaron khvahishen aisi” - Twist with Destiny
(Tausende von solchen Wünschen)
di/von Sudhir Mishra (Indien-Fra 2004, 80’)
In Originalsprache (Englisch u. Hindi) mit italienischen Untertiteln
Es nehmen Teil: Cecilia Cossio (Universität Ca’ Foscari Venedig), Mariola Offredi (Universität Ca’ Foscari, Venedig), Stefano Giordano (Filmexperte, Trient)
Sujet und Drehbuch: S. Mishra, Ruchi Narayan, Shivkumar Subramanyam; Kamera: Jaques Bouquin, Asim Bajaj; Schnitt: Catherine D’Hoir; Musik: Shantnu Moitra; Texte: Svanand Kirkire (und Mirza Ghalib); Darsteller: K.K. Menon (Siddharth), Chitrangada Singh (Gita), Shiny Ahuja (Vikram), Ram Kapur (Arun Mehta); Prod.: Pritish Nandy
Die Jahre 1969 -197 . Hoffnungen und Ideale vergehen angesichts von Ereignissen wie der Revolution von Naksalbari (Bengalen) 1967 , ausgelöst durch die Not und die Ausnutzung der Bauern, zu denen sich kommunistische Militanten, Intellektuelle und Studenten gesellen. Die Bewegung, genannt naxalita nach dem Ursprungsort und aktiv auch in städtischen und großstädtischen Zonen, wird blutig unterdrückt, unterstützt durch den Krieg in Bangladesh 197 1. Später fließt das wirtschaftliche und soziale Unbehagen das viele Gesellschaftsschichten verspüren, in der organisierten Opposition zusammen, deren Zentren Bihar und Maharashtra sind. Am 26. Juni 1975 lässt Indira Gandhi den nationalen Notstand ausrufen: es folgen die Inhaftierung der Rechts- und Linksopposition und eine dramatische Einschränkung der persönlichen Freiheiten. Es sind dunkle Jahre, geprägt von Verletzungen der Menschenrechte und Ausrottung der Naxaliter, oder jener die dafür gehalten wurden. 1977 bei der Generalwahl, wird Indira geschlagen und zum ersten Mal auch die Kongresspartei. In diesem trüben Umfeld spielt sich die Geschichte der drei Hauptdarsteller, Siddharth, Gita und Vikram, dreier Universitätsfreunde, ab. Die Öffentlichkeit der Politik und der gequälten sozio-ökonomischen Bedingungen des Landes verbindet sich mit der Privatsphäre der Liebe zwischen den drei Jugendlichen, denen ihre Träume, ihr Gewissen und ihr Schicksal verschiedene Wege weisen. Der Bezug zum Schicksal ist im englischen Untertitel verankert, ein ironischer und bitterer Hinweis auf den Diskurs zur Unabhängigkeit von Nehru: “Many years ago we made a tryst with destiny” (Vor vielen Jahren hatten wir ein Treffen mit dem Schicksal). Der Hindi-Titel stammt hingegen aus einem Gedicht des großen Poeten Ghalib: “Es gibt Tausende von solchen Wünschen, dass es für jeden ein ganzes Leben braucht”. |
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