Schwungzither
Schwungzither (Bell harp, Fairy bell): unsigniert (Vermutlich aus England, um 1900)
Die „Schwungzither“ erhielt ihren deutschen Namen von der Spieltechnik her: Der Spieler hält das Instrument, parallel zu seinem Körper, links und rechts oben mit Hilfe zweier Henkel; während er es seitlich schwingt, zupft er mit einem Plektrum am rechten Daumen Plektrum die Saiten für die hohen Töne, mit dem linken Daumen direkt die Saiten für die tieferen Töne. Diese Spielpraxis wird bereits 1740 im Londoner „Musical Dictionary“ von James Grassineau (um 1715-1767) geschildert (van der Meer 1983, 126). Im Ursprungsland England heißt das Instrument „Bell harp“.
Der englische Psalmist und Musiktheoretiker William Tans'ur (1700-1783) erwähnt die „Bell harp“ in seinem Traktat „The Elements of Musick Display'd“ (London, 5. Auflage 1772, in 1. Auflage erschienen 1746 unter dem Titel „A New Musical Grammar): Its form is like a bell“ (zitiert nach Galpin, Francis W[illiam]: Old English Instruments of Music. Their History and Character. Fourth edition, revised with supplementary notes by Thurston Dart. London 1965, S. 47). Ob diese Aussage sich auf ein Instrument wie Inv.-Nr. M 165, bislang ein Unikat der exakt auf die von John Simcock in Bath (südwestlich von Oxford) gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts erfundene und von ihm signierte Zither des wohl gleichen Typus (Abb. z.B. bei Galpin, Francis W[illiam]: Old English Instruments of Music. Their History and Character. Fourth edition, revised with supplementary notes by Thurston Dart. London 1965, S. 46, Halfpenny, Eric: The Mythology of the English Harp, in: The Galpin Society Journal 31 (1978), nach S.32, Tafel 1 ) bezieht, ist noch ungeklärt. Im „Bath Journal“ vom 3. Oktober 1763 wird über John Simcock als inventor and maker of the English Harp berichtet (zitiert nach HHalfpenny, Eric: The Mythology of the English Harp, in: The Galpin Society Journal 31 (1978), S. 30). Im 19. Jahrhundert war jedenfalls für sein Instrument der Name „Bell harp“ üblich, mutmaßlich teilweise im Konnex mit „Captain Bell“, dem Anführer des Dragoner-Regiments, in dem Simcock als Trommler gedient hatte oder der Schwungbewegung beim Läuten einer Glocke.
Doch es ist nicht zuletzt hinsichtlich der englischen Bezeichnung des Instruments zu berücksichtigen, dass John Simcock als „bell-ringer“ aktiv war. So gab es im „Bath Journal“ vom 4. Mai 1761 eine Anzeige, dass er am 7. Mai zu Mittag in Bath die „St. Michael's Bells“ spielen würde (Woodfield, Ian: The Mythology of the English harp, in: The Galpin Society Journal 33 (1980), S. 133). Wahrscheinlich dürfte es sich bei den „St. Michael's Bells“ um aufgereihte Glocken gehandelt haben, die entweder durch das Treten von Zugstricken oder eine Manual- bzw. Pedalklaviatur zum Klingen gebracht wurden (vgl. Sachs, Curt: Reallexikon der Musikinstrumente. Berlin 1913, Reprint Hildesheim 1962, S. 162, Baines, Anthony: Lexikon der Musikinstrumente. Aus dem Englischen übersetzt und für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Martin Elste. Stuttgart [u.a.] 1996, S. 342f.).
So liegt die Vermutung nahe, dass die Bodenbemalung mit den Glockenläutern von Inv.-Nr. M 165 kein zufällig gewähltes Motiv auf diesem Instrument ist, sondern einen grundlegenden, freilich noch nicht geklärten Zusammenhang mit der Geschichte des Instruments hat.
Es bestehen weitere Verbindungen zwischen Glockenspielen und der „Bell harp“. Aus den Jahren 1778 bis 1789 wird von einem Musikanten in Norfolk berichtet, der nach den Weihnachtsfeiertagen in Privathäusern von Weston Longeville mit seinem Spiel auf zehn Glocken gegen ein kleines Geldgeschenk seine musikalische Aufwartung machte. Im Jahr 1790 kam er nicht mehr mit seinen zehn Glocken, sondern erstmals mit einer „Bell harp“ (Woodfield, Ian: The Mythology of the English harp, in: The Galpin Society Journal 33 (1980), S. 135f.). Mit ihr stattete er seine Besuche auch in den Folgejahren ab. Warum hat er seine Glocken gerade gegen eine „Bell harp“ getauscht? Und um 1910 sind auf einer Fotografie unbekannter Provenienz zwei anonyme, vermutlich englische Musikanten im eleganten schwarzen Anzug mit „Fairy bells“ dargestellt, in Pose neben einem Röhrenglockenspiel und mehreren in der Volksmusik verwendeten Instrumenten (Abb. bei Byrne, Maurice: Two Players on the Bell harp, in: The Galpin Society Journal 44 (1991), Tafel 30).
Im Jahre 1782 bot das Musikhandels- und Musikverlagshaus Longman & Broderip in London „Aeolian and Bath harps“ an (zitiert nach Marcuse, Sibyl: A Survey of Musical Instruments. Newton Abbot-London 1975, S. 234). In der Bezeichnung „Bath harps“ wird der Bezug des Instruments zum Wohnort des Erfinders deutlich, durch die Erwähnung zusammen mit der Äolsharfe vielleicht auch eine klangliche Assoziation zur Äolsharfe, einem zither- bzw. psalteriumsartigen Instrument, dessen Saiten durch natürlichen Windzug in Schwingung versetzt werden.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden simplifizierte Formen der „Bell harp“ (Inv.-Nr. 161006, M 170), industrielle Massenware wie etwa die Gitarrenzithern. Sie wurden z.B. um 1880 von der Londoner Klavierbauerfirma Richard Cook & Co. unter dem Namen „Fairy bell“ vertrieben (Halfpenny, Eric: The Mythology of the English Harp, in: The Galpin Society Journal 31 (1978), S. 34).
Die „Bell harp“, insbesondere die „Fairy bell“, war ein Volksmusikinstrument, gebraucht solistisch, im Duo oder etwa zur Liedbegleitung. Die bäuerliche Bevölkerung in Warwickshire (Gegend südöstlich von Birmingham) zum Beispiel spielte sie ebenso wie Musikanten in Oxfordshire oder englische wie französische Straßenmusikanten in der Stadt (Halfpenny, Eric: The Mythology of the English Harp, in: The Galpin Society Journal 31 (1978), S. 32; Coker, Ed: Fairy Bells in Oxfordshire, in: English dance and song 37 (1975), S. 114).
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Rechteckige Kastenzither. Zweiteiliger Boden mit einteiliger Decke, die nur die unteren zwei Drittel des Korpus bedeckt und fest aufgeleimt ist. Auf dem Boden innen schräg gegeneinander zwei rechteckige Klötze mit gerader Oberfläche bei seitlich abgeschrägten Kanten als Wirbelstock, mit je fünf Wirbeln, rechts für die hohen, links (unten eingepasst in das Eck des Schallkastens) für die tiefen Töne. Darüber parallel in der Decke zwei Schalllöcher, die an den Schmalseiten gerundet sind und jeweils an einer Seite gegengleich spitz auslaufen.
Am Boden oben außen rechteckiger Klotz aufgeschraubt; alle Schrauben, die der Verbindung des Bodens mit den Zargen oder etwa den Wirbelstöcken dienen, sind am Boden sichtbar. Zargen im oberen Drittel S-förmig geschwungen. Oberhalb des rechten Wirbelstocks verlaufen die Saiten (5+5) innen frei durch zwei rechteckige, seitlich konvexe Aussparungen in einem Querriegel mit Stimmstock-Funktion.
Zubehör: keine vorhanden
Inventarnummer Sammlung Walther Schwienbacher: 378
- Objektbezeichnung:
- Zither
- Inventarnummer:
- M/170
- Material:
- Holz, Metall, Perlmutt, Elfenbein, Papier
- Technik:
- lackiert, geklebt
- Institution:
- Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde
- Maße:
- Korpus gesamt Länge 608 mm, Korpus Breite 171 mm, Decke Länge 422 mm, Decke Breite 171 mm, Zargen Höhe 58 mm, Schallloch rechts Länge 136 mm, Schallloch rechts Breite 21 mm, Schallloch links Länge 132 mm, Schallloch links Breite 22 mm, Mensur Melodiesaiten Länge 291 mm, Mensur Begleitsaiten Länge 487 mm
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