Kohlendioxid-Messungen am Rittner Horn – Grünwald
Die CO2-Messstation „Ritten-Grünwald“ Partner des weltweiten Beobachtungsnetzes der Energie- und Kohlendioxidflüsse zwischen den terrestrischen Ökosystemen und der Atmosphäre.
Stefano Minerbi – Amt für Forstverwaltung
Jüngsten Angaben, dem „Global Carbon Budget“-Bericht 2015 (http://www.globalcarbonproject.org/, Abb. 1), zufolge, werden weltweit jährlich 9,9 Gt C (Milliarden Tonne Kohlenstoff) als Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre ausgestoßen (SOURCE): 9 Gt C sind der Verbrennung fossiler Energieträger zuzuschreiben, während 0,9 Gt C gehen auf Rodungen (Waldbränden) und Abholzung von Waldflächen zurück.
2,6 Gt C werden von den Ozeanen bzw. 3,0 Gt C werden von den Ökosystemen auf Festland (hauptsächlich Wäldern) aufgenommen und gespeichert (SINK).
Der Rest (4,4 Gt C) belastet die Atmosphäre und verschärft den Treibhauseffekt.
Abb. 1
An der Referenzmessstation des Mauna Loa Observatory auf Hawaii wurde somit 2015 zum ersten Mal die beachtliche Schwelle von 400ppm als Jahresdurchschnittskonzentration des CO2 in der Atmosphäre überschritten. Insbesondere nahm mit 3ppm Zuwachs im Jahr 2015 (am Anfang des Jahrhunderts wurde noch mit einem jährlichen Zuwachs von 0,5ppm gerechnet) die CO2-Konzentration rasant zu.
Etwa 800 Messstationen (Abb. 2), welche über alle Kontinente verteilt und jeweils mit einem mikro-meteorologischen Turm ausgestattet sind, messen nach dem Verfahren der Turbolenzkorrelation (eddy covariance) den Kohlendioxid-, Wasserdampf- und Energiefluss zwischen der Atmosphäre und den verschiedenen terrestrischen Ökosystemen.
Die somit erfassten Daten stehen der internationalen, wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung.
FLUXNET, so heißt das weltübergreifende Überwachungsnetz, ist aufgrund von Ausmaß und Datenmenge (ergänzt durch Satellitenaufnahmen der NASA - NOAA) die wichtigste, wissenschaftliche Datenbank zur Klimaforschung weltweit.
Abb. 2
Die CO2-Langzeit-Messstation Ritten-Grünwald (Abb. 3), Europas höchstgelegene Messstelle (1730 m ü. M.) ist seit Beginn der Aufzeichnungen (1998) in dieses Netz eingegliedert.
Abb. 3
Die mehrjährige Datenserie zeigt eine steigende Tendenz der Brutto Primär Produktion (GPP in Abb. 4) d.H. der CO2-Aufnahme durch Photosynthese auf, womöglich als Folge der Temperaturerhöhung (Abb. 5), der verlängerten Vegetationsperiode bzw. der „Überdüngung“ durch erhöhten CO2-Angebot und erhöhte Stickstoffeinträge.
Entsprechend gestiegen ist auch die CO2-Abgabe durch die Atmung (RECO) des gesamten Ökosystems, welche dem Energieverbrauch für das Funktionieren des Ökosystems selbst (Aufnahmetätigkeit) darstellt.
Aus der Differenz ergibt sich die KOHLENSTOFFSENKE (SINK = NEE im Diagramm der Abb. 4), im Durchschnitt 3 tC/ha*y, d.h.11 t CO2/ha*y (der Atmosphäre entnommenes CO2 pro Hektar und Jahr), was dem jährlichen Ausstoß von 7 Mittelklassewagen entspricht.
Abb. 4
Abb. 5 – steigende jahresdurchschnittliche Temperaturwerte auf der Langzeitbeobachtungsflächen Ritten-Grünwald.
Die am Rittner Fichtenwald als Biomasse dauerhaft gebundene Kohlenstoffmenge (STOCK) beträgt 250 tC/ha (Tonnen Kohlenstoff pro Hektar), davon 80 tC/ha im Bestand und 170 tC/ha im Boden.
Während die Bestandesbiomasse plötzlichen Schwankungen im Zuge von Holznutzungen sowie Ereignissen parasitärer bzw. wetterbedingter Natur unterliegt, bleibt die Biomasse im Waldboden über die Jahrzehnten ± konstant, sowohl als tote organische Substanz als auch als Reichtum an Bodenflora und -fauna.
Der nachhaltigen Rolle der Böden bzw. des Waldbodens - als Nährstoff- und Wasserspeicher wichtig für das Waldökosystem, als CO2-Speicher wichtig für den Klimaschutz - soll also in Zukunft mehr denn je Rechnung getragen werden: Herausforderung für die Waldbewirtschaftung, Verantwortung für die politischen Entscheidungsträger.