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"Wohnbaupolitik ist zentraler Bestandteil der Autonomie Südtirols"
Über Anfänge, Gegenwart und Zukunft des Wohnbaus in Südtirol wurde heute (28. Oktober) auf einer Tagung in Bozen diskutiert.
Die Themen Wohnen und Wohnraumbeschaffung spielten und spielen in Südtirols Autonomiegeschichte seit jeher eine wichtige Rolle: "Es war kein Zufall, dass der Bereich des Wohnbaus unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Autonomiestatuts ein prioritäres Thema war, das mit einem eigenen Landesgesetz geregelt wurde", hielt Landeshauptmann Arno Kompatscher bei der heutigen Tagung in Bozen fest. Die Wohnbaupolitik sei einem stetigen Wandel unterworfen, denn es gelte den aktuellen Herausforderungen Rechnung zu tragen, hob der Landeshauptmann hervor. Dass das Wohnen die soziale Frage unserer Zeit sei, unterstrich auch Wohnbaulandesrätin Waltraud Deeg: "Die Wohnbaupolitik war zentral für die Autonomiepolitik, war und ist sie doch ein zentraler Punkt der Sozialpolitik und auch der Friedenspolitik unseres Landes."
Wenn man bedenke, dass die besiedelbare Fläche in Südtirol begrenzt ist, Familien immer kleiner werden und damit die Nachfrage nach Wohnraum weiter ansteige, gelte es zukunftsgerichtete Entscheidungen zu treffen, fasste Stefan Walder, Direktor der Landesabteilung Wohnungsbau, die Herausforderungen für seinen Themenbereich zusammen. Das Land hat in den vergangenen Jahrzehnten rund 184 Millionen Euro pro Jahr an Beiträgen für die Eigentumsförderung an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben. Auch im Bereich des sozialen Wohnbaus wird das Land über das Institut für den sozialen Wohnbau (Wobi) aktiv. "Das Wobi muss sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen, auch weil wir ein wichtiger sozialer Akteur in Südtirol sind", unterstrich Wobi-Präsidentin Francesca Tosolini. Durch das (neue) Landesgesetz zum öffentlichen und sozialen Wohnbau habe man den rechtlichen Rahmen für diese Weiterentwicklung erhalten.
Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Wohnbaus im Fokus
Im Rahmen der Tagung blickte Historiker Hannes Obermair auf die Geschichte des sozialen Wohnbaus in Südtirol zurück. Das heutige Institut für den Sozialen Wohnbau (Wobi) hat seine Ursprünge im Jahr 1934, dehnte seine Wirkungsfeld vor allem nach dem Inkraftreten des Zweiten Autonomiestatutes im Jahr 1972 auf die ländlichen Gegenden in Südtirol aus. Durch seine dezentralen Wohnungspolitik sei es in Südtirol in den vergangenen 50 Jahren weitgehend, wenngleich nicht vollständig, gelungen, soziale Ungleichheiten abzufedern, Ausschließungseffekte zu dämpfen, Verteilungskämpfe zu mildern, fasste Obermair zusammen und ergänzte: "Gutes Wohnen ist das zentrale Kennzeichen, das Distinktionsmerkmal wohlfahrtsstaatlicher Politik und damit ein gesellschaftliches Ordnungssystem erster Größe." Der Südtiroler Mix aus "Dezentralisierung, Streben nach Klimaneutralität, ästhetischer Qualität des Bauens und aktiven Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner" seien Kernelemente dafür, dass das Wobi als Vorbildmodell innerhalb Italiens, aber auch Europas bezeichnet werden könne. Für den Historiker ist das Wobi "die soziale Integrationsmaschine Südtirols, die jedoch krisenanfällig ist", hob Hannes Obermair abschließend hervor.
Online aus Mailand wurde Raffaella Saporito, Wissenschaftlerin der SDA Bocconi School of Management, zugeschaltet. Sie ging auf die Bedeutung des öffentlichen Wohnbaus im gesamtstaatlichen Vergleich ein. In Italien gebe es unterschiedliche Wohnbaugesellschaften, die aber alle mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten: Der Wohnungsmarkt habe sich verändert, bei den Einnahmen decken die Mieten die Betriebskosten nur teilweise ab. "Das öffentliche italienische Wohnbau-Modell befindet sich in einer Krise der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit und läuft gleichzeitig Gefahr, ungerecht zu sein, weil es nicht unbedingt auf die aktuell dringendsten Bedarfsprofile ausgerichtet ist", hielt Saporito fest. Dies betreffe auch das Profil des Wohnungsbestandes: Es dominieren mittelgroße Wohnungen, obwohl 65 Prozent der Haushalte nur aus einem oder höchstens zwei Familienmitgliedern bestehen. Die Untersuchung, die Saporito gemeinsam mit ihrem Forscherteam und in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Wohnbauinstitute Italien, Federcasa, erstellt haben, kommt zum Ergebnis, dass Menschen, die in Sozialwohnungen leben, nicht immer diejenigen sind, die am stärksten von Armut bedroht sind. Gleichzeitig weisen die neuen Mieterinnen und Mieter andere Familienstrukturen und komplexere soziale Bedürfnisse auf. "Es liegt in den Händen der regionalen politischen Entscheidungsträger, diese gegensätzlichen Bedürfnisse zu vereinen", fasste die Mailänder Forscherin zusammen.
Über das nachhaltige Wobi-Haus der Zukunft referierte Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie von Eurac Research. Der Blick in die Zukunft bringe unweigerlich viele Herausforderungen, die es auch im Bereich des Wohnbaus anzugehen gelte: "Schlüsselfaktoren sind sicherlich die Mobilität und das Heizen mit null Emissionen", fasste Sparber zusammen. Einiges dabei erfordere eine größere Finanzierung und sei daher auch mit großen Anstrengungen verbunden. Anderes hingegen sei durch gute, vorausschauende Planung möglich: "Der Zugang zur nachhaltigen Mobilität kann auch vonseiten des Wohnbauinstituts künftig noch stärker mitgedacht werden", resümierte Wolfram Sparber und bezog sich unter anderem dabei auf die Errichtung von Ladestationen für E-Autos oder den Ausbau der Micro E-Mobilität (z. B. in Form von E-Cargobikes). Der Weg zum nachhaltigen Haus der Zukunft des Wobi trage aufgrund der umfassenden Dimension des Wohnbauinstituts dazu bei, zumindest mittelfristig die Ziele des Südtiroler Klimaplans zu erreichen.
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