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Euregio-Erhebung der Arbeitsbedingungen macht 2 ½ Problembranchen aus

Erste Ergebnisse der euregioweiten Erhebung der Arbeitsbedingungen wurden heute in Innsbruck vorgestellt. Im Mittelpunkt standen die körperlichen und psychischen Belastungen.

Wie sind die Arbeitsbedingungen im Bundesland Tirol, in Südtirol und im Trentino? Diese Frage ist in der Euregio-Studie zu den Arbeitsbedingungen analysiert worden. Ganz nach dem europäischen Vorbild der alle fünf Jahre europaweit stattfindenden Erhebung der Arbeitsbedingungen von Eurofound (EWCS) haben die Euregio und ihre Partnerinstitute, die Arbeiterkammer Tirol, das Arbeitsförderungsinstitut Südtirol AFI und die "Agenzia del lavoro" im Trentino, eine umfassende Befragung mit 4500 Interviews (1500 pro Landesteil) durchgeführt. Nach zwei Jahren Vorarbeit wurden heute (25. Mai) in Innsbruck die ersten Ergebnisse der repräsentativen Umfrage vorgestellt. Wie der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter unterstrich, "ermögliche die Studie erstmals, interregionale Vergleiche anzustellen und Rückschlüsse auf relevante Standortfaktoren zu ziehen, welche einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben".  

Auf die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen verwies Südtirols Landesrat Philipp Achammer in seiner Videobotschaft: "Die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ist im Wettbewerb mit anderen Regionen um die klügsten Köpfe und die kräftigsten Arme, um jene nachkommende Generation, die soziales Miteinander, psychisches Wohlergehen und Verantwortung für Gesellschaft und Natur groß schreibt – auch bei der Arbeit. Gute Arbeitsbedingungen helfen bei der Anwerbung neuer Fachkräfte, beugen Berufskrankheiten und Unfälle vor und halten Beschäftigte auch im höheren Erwerbsalter noch fit."

Körperliche Arbeitsbelastungen: klares Nord-Süd-Gefälle   

Aus der Vogelperspektive der Europaregion betrachtet, zeigt sich bei sehr vielen körperlich belastenden Messgrößen ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Das Bundesland Tirol ist beispielsweise stärker von körperlichen Arbeitsbelastungen geprägt (26 Punkte) als es die Beschäftigten in Südtirol (23) sind. "Die Beschäftigten im Trentino weisen hier mit 19 Punkten den besten Wert auf, sind also beispielsweise starkem Lärm, dem Tragen von schweren Lasten oder Kontakt mit chemischen oder ansteckenden Stoffen weniger ausgesetzt als in den anderen beiden Landesteilen", führte Projektkoordinator und Arbeitspsychologe Tobias Hölbling aus.  

Psychische Belastungen: flächendeckend ein Problem 

Psychisch belastende Arbeitsbedingungen wie Arbeitsverdichtung (hohe Arbeitsgeschwindigkeit, Zeitdruck usw.) und emotionsbedingte Arbeitsbelastungen (schwierige emotionale Situationen erleben, sich auch in der Freizeit um die Arbeit Sorgen machen müssen usw.) sind demgegenüber in der gesamten Europaregion grundsätzlich deutlich stärker ausgeprägt als die körperlich belastenden Arbeitsbedingungen. Hölbling hierzu: "Gerade Südtirol sticht in fast allen Branchen bei psychisch belastenden Arbeitsbedingungen negativ heraus, der psychische Druck ist hier am höchsten."  

Zweieinhalb Problembranchen   

So richtig problematisch werden belastende Arbeitsbedingungen dann, wenn mehrere Faktoren zusammenwirken, wie es bei einigen Wirtschaftszweigen ganz deutlich der Fall ist: Im Gesundheits- und Sozialwesen, in Hotellerie und Gastronomie und zum Teil in Erziehung und Unterricht erzeugen das Zusammentreffen von körperlichen und psychischen Faktoren jene Mehrfachbelastung, die auf die Dauer besonders schädlich wirkt. Der Grund: In allen drei Branchen wird mit Menschen gearbeitet: Kranke und alte Menschen, "erholungswütige" Gäste und quirlige Kinder samt deren Eltern fordern zusätzlichen emotionalen Tribut. "Diese Belastungen summieren sich und machen die Arbeit in diesen Wirtschaftszweigen für immer weniger Beschäftigte attraktiv, was bei der Bedeutung dieser Branchen für den Wirtschaftsstandort und die Gesellschaft der Europaregion zu einer schweren Hypothek werden kann", gibt in diesem Zusammenhang AFI-Direktor Stefan Perini zu bedenken.  

Bessere Arbeitsbedingungen oder unterschiedliches Problembewusstsein?  

Auffällig ist, dass das Bundesland Tirol in vielen Belangen schlechter abschneidet als das Trentino, und Südtirol sehr oft eine Mittelposition einnimmt. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Die Arbeitsbedingungen können zum einen tatsächlich unterschiedlich sein - ein Landesteil macht es schlichtweg besser als die anderen -, oder aber es besteht eine unterschiedliche Problemwahrnehmung: Was von manchen Befragten bereits als belastend empfunden wird (z. B. starker Lärm oder emotional schwierige Situationen bei der Arbeit), ist für andere nicht der Rede wert. Dazu die Direktorin der Landesarbeitsagentur Trient, Isabella Speziali: "Diesen und ähnlichen Unterschieden werden wir in weiteren Studien auf den Grund gehen und uns über gute Ansätze zur Problemlösung in den einzelnen Landesteilen zum Nutzen der gesamten Europaregionsebene austauschen." 

Die nächste Veranstaltung ist schon geplant. Wie der Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Tirol, Domenico Rief, informierte, wird sie in Trient im Herbst 2022 zum Thema "Arbeitszeiten" stattfinden. 

Die Euregio-Studie EWCS "Körperlich und psychisch belastende Arbeitsbedingungen in der Europaregion" liegt dieser Mitteilung bei oder steht im Internet unter www.afi-ipl.org zum Download bereit.


Link zur Originalaussendung mit den eventuellen dazugehörigen Fotos, Videos und Dokumenten

LPA/red/jw