Archivale des Monats
Von den Kinderbewahranstalten zu den Landeskindergärten
Die ersten so genannten Kleinkinderbewahranstalten entstehen als bürgerliche Gründungen im 19. Jahrhundert. In der Zwischenkriegszeit werden auch die Kindergärten in den Dienst des faschistischen Regimes gestellt und zur Vermittlung seiner Ideologie benutzt. 1976 wird das Land Südtirol dank seiner autonomierechtlichen Zuständigkeiten erstmals auf dem Gebiet gesetzgeberisch tätig. Seither gibt es öffentliche Landeskindergärten.
Erste Gründungswelle von Kleinkinderbewahranstalten in Europa
Die ersten Einrichtungen, die sich der Betreuung und Erziehung von Kleinkindern annahmen, waren eine Antwort auf die mit der industriellen Revolution einhergehenden sozio-ökonomischen und demografischen Umwälzungen. Der Bevölkerungsanstieg in den Städten sowie die Erwerbstätigkeit von Frauen führten dazu, dass die Betreuung von Kleinkindern, vor allem in der sich nun herausbildenden Arbeiterklasse, vernachlässigt wurde.
Kleinkinderbewahranstalten und Kindergärten
Erste Abhilfe schufen Frauen aus dem zu neuem Selbstbewusstsein aufgestiegenen Bürgertum; konkret waren es bürgerliche Frauen, die Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder gründeten, für ihre Finanzierung aufkamen und diese verwalteten. Staat und Kirche spielten zunächst noch kaum eine Rolle. Während die Kleinkinderbewahranstalten die sittlich-religiöse Erziehung im Auge hatten, versuchten die Kindergärten nach den Lehren Friedrich Fröbels erste Lerninhalte auf spielerische Weise zu vermitteln. Als eine der ersten Tirols wurde 1847 die Bozner Kleinkinderbewahranstalt gegründet.
Entwicklung in der Zwischenkriegszeit
Die „Opera Nazionale di Assistenza all’Italia Redenta“ (O.N.A.I.R.) begann ab 1924 zunächst die italienischsprachigen Kindergärten und ab 1926 auch die deutschsprachigen zu übernehmen. Diese Phase war nicht nur geprägt von rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der O.N.A.I.R. und den Trägern bzw. der Leitung der Kindergärten, auch die Erziehung der Kinder musste zunehmend nach den Vorstellungen des faschistischen Regimes ausgerichtet werden.
„Federazione asili infantili“ und „Landesverein für Südtiroler Kindergärten“
Weitere Marksteine in der Geschichte des Südtiroler Kindergartenwesens waren die 1955 erfolgte Gründung der „Federazione asili infantili“, der bis 1980/81 elf Kindergärten angehörten, und 1957 von 37 deutschen und ladinischen Kindergärtnerinnen gegründete L.S.K. Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen verpflichtete sich diese Vereine, die ihm angeschlossenen Kindergärten zu beaufsichtigen und zu koordinieren, den Kindergärten moralische, rechtliche, lehr- und erziehungsmäßige, finanzielle und sanitäre Unterstützung zu bieten sowie die angeschlossenen Kindergärten und Kindergärtnerinnen gegenüber den Behörden zu vertreten.
Staatsgesetz von 1968
Seit 1948 durfte Südtirol im Bereich der Kindergärten selbst Gesetzesbestimmungen erlassen. 1968 wurde mit Staatsgesetz Nr. 444 der Kindergartenbereich erstmalig und umfassend für das ganze Staatsgebiet, also auch für die Provinzen Bozen und Trient, geregelt. Damit wurde jedoch das Autonomiestatut verletzt, weshalb der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit des genannten Staatsgesetzes auf dem Gebiet der Region Trentino-Südtirol erklärte.
Finanzielle Hilfe aus dem Ausland
Besonders hervorzuheben ist ferner die finanzielle Hilfe aus Deutschland und Österreich, die etwa bei der Errichtung von Kindergärten in Anspruch genommen werden konnte. Es waren Partnergemeinden oder Initiativen wie die „Stille Hilfe für Südtirol“ und das „Kulturwerk für Südtirol“ die bedeutende Aufbauarbeit auf dem Kindergartensektor geleistet haben.
Landeskindergartengesetz
Mit dem Landesgesetz Nr. 36 vom 17. August 1976 wurde Südtirol auf dem Gebiet des Kindergartenwesens erstmals gesetzgeberisch tätig. 1977 wurde auch der Großteil der Beschäftigten in den Landesdienst übernommen worden. Seither gibt es in Südtirol neben einigen wenigen gleichgestellten Privatkindergärten die so genannten „Landeskindergärten“. Auch den Gemeinden kam weiterhin eine bedeutende Rolle zu, da sie für die Führung des Kindergartens zuständig waren. Das Gesetz, das bis 2008 Bestand haben sollte, regelte nicht nur Dienstrecht, Organisation und juristische Trägerschaft, sondern ermöglichte auch die inhaltliche Mitgestaltung des vorschulischen Bildungsauftrages in den Kollegialorganen der Kindergärten.
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