Archivale des Monats

Irredenta und neue Heimstätte für Kriegsveteranen

Sammlung Landesarchiv I, Nr. 53

Nach dem Eintritt Italiens in den Krieg gegen Österreich-Ungarn im Mai 1915 verschärften sich die nationalen Gegensätze, die die Gefürstete Grafschaft Tirol schon seit einigen Jahrzehnten geprägt hatten. So wurden nun verstärkt Vergeltungsmaßnahmen gegen Trentiner Irredentisten ins Werk gesetzt. Dazu gehörte etwa die Konfiszierung des Eigentums derer, die sich bei Kriegsausbruch nach Italien abgesetzt hatten. Betroffen davon waren Liegenschaften im heutigen Trentino als auch im Bozner Unterland, wo Welschtiroler bereits seit Beginn des 19. Jahrhundert stark präsent waren und einige Irredentisten als Grundbesitzer Fuß gefasst hatten. Politische Exponenten wie Edgar Meyer, ein führender Vertreter des Tiroler Volksbundes, ließen keinen Zweifel, was mit solchen Besitztümern geschehen sollte. Schon wenige Wochen nach der Kriegserklärung Italiens ließ er verlauten, dass man im italienischsprachigen Tirol nicht nur die „welsche Intelligenz“ ausschalten und durch eine deutschsprachige ersetzen solle, vielmehr sollte auf den konfiszierten Gütern eine „kräftige deutsche Grenzbevölkerung“ installiert werden, um so eine „Hochwacht gegen Süden“ zu schaffen und somit die „Rückverdeutschung“ des Trentino zu erwirken, was Meyer als einzige Lösung zur Wahrung der Landeseinheit betrachtete. Zu diesem Zweck gründete der Tiroler Volksbund 1916 einen „Ausschuss für völkische Belange und deutsche Besiedlung Südtirols“, der in enger Verbindung zur „Vereinigung für Deutsche Siedlung und Wanderung“ stand, einem Verein unter der Leitung des hochrangigen deutschen Kolonialbeamten Friedrich von Lindequist (1862–1945). Im selben Jahr wurden unter Mitwirkung der österreichischen Militärbehörden die ersten Maßnahmen ergriffen: Wie von Edgar Meyer erhofft, begann man mit der Übertragung der konfiszierten Güter, und zwar ausgehend vom Gebiet südlich von Bozen, nämlich in Pfatten und Montan. Zunächst wurden die landwirtschaftlichen Einheiten, die später – nach dem gewonnenen Krieg – an deutschsprachige Veteranen zugewiesen werden sollten, neu definiert. Damit sollte „durch eine deutsche Kolonisation ein Bollwerk gegen die immer mehr um sich greifende Verwelschung des deutschen Teiles von Süd-Tirol, insbesondere der Umgebung der Stadt Bozen“ geschaffen werden. Dieser Kolonisationsplan für das Bozner Unterland wurde von einer am 24. Mai 1916 von den Militärbehörden einberufenen Versammlung beschlossen. An diesem Treffen nahmen auch Erzherzog Eugen, der das Kommando der österreichischen Südwestfront innehatte, zahlreiche prominente Bozner Persönlichkeiten und eine Anzahl von Abgeordneten zum Tiroler Landtag teil, deren Namen nicht aufgezeichnet wurden. Der Krieg ging aber anders aus, und ein ähnliches Werk, diesmal zugunsten italienischer Veteranen und Grundbesitzer, wurde später in Südtirol durch den Ente nazionale Tre Venezie umgesetzt, unter Verwendung konfiszierter Güter reichsdeutscher und österreichischer Staatsbürger. Von dem 1916 in Bozen beschlossenen Projekt sind jedoch das Sitzungsprotokoll, dem die oben zitierten Passagen entnommen sind, die damals gesammelten Katasterunterlagen und von den Landvermessern angefertigtes Planmaterial erhalten. Bei den Grundstücken handelte es sich unter anderem um den Thalerhof in Glen des Ettore Tolomei und um beide Höfe zum Schloß und Wachsbleiche in Pfatten, die Riccardo Ferrari gehörten und von denen die Karte mit dem Aufteilungsplan hier wiedergegeben wird.

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