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Sonderausstellung „Das Geheimnis der Wolkenmenschen“ jetzt im Archäologiemuseum

LPA - Zwölf Mumien, die 1996 an der Laguns de los Condores (Peru) in steinernen Nischen entdeckt wurden, sind nun im Archäologiemuseum in Bozen zu sehen. Gemeinsam mit Tiermumien und über 100 Alltags- und Kunsthandwerksobjekten geben sie einen faszinierenden Einblick in die Kultur der Chachapoya, der Wolkenmenschen. Die Ausstellung „Das Geheimnis der Wolkenmenschen“, zeigt das selbstverständliche „Miteinander“ Lebender und Toter in der Chachapoya-Inka-Kultur. Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur, Museumspräsident Bruno Hosp, Universitätsprofessor Horst Seidler, die Direktorin des Museums in Leymebamba, Sonja Guillén und die Direktorin des Archäologiemuseums, Angelika Fleckinger, haben die Ausstellung heute, 11. August, in Bozen vorgestellt.

LRin Sabina Kasslatter Mur und Museumsdirektorin Angelika Fleckinger beim Rundgang durch die Ausstellung (FOTO:LPA/Pertl)
Museen bauen Brücken und eröffnen Zugänge zur Kultur, betonte Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur heute bei der Vorstellung der Ausstellung im Archäologiemuseum. Im Fall der Sonderausstellung werden Brücken von Südtirol nach Peru geschlagen und Zugänge zu einer anderen Kultur, nämlich jener der Chachapoya, der großen hellhäutigen Krieger im peruanischen Nebelwald geöffnet, aber auch zur eigenen Kultur und zwar über den Vergleich mit dem Mann aus dem Eis. Bis 15. November 2006 zeigt das Südtiroler Archäologiemuseum nämlich eine Sonderausstellung, die die Kultur der Chachapoya-Inka aus Peru in der Zeit von 800 bis 1500 nach Christi rekonstruiert. Die Besucher könnten einen Eindruck von der Weiterentwicklung der Kultur über einen Zeitraum von 500 Jahren bekommen, erklärte Professor Seidler, der Vorstand des Instituts für Humanbiologie der Uni Wien und Präsident des wissenschaftlichen Fachbeirats für den Mann aus dem Eis. Er könne sich vorstellen, so Seidler, dass sich das Bozner Archäologiemuseum, mit einigen Anstrengungen, zu einem Kulturzentrum für die Museumsforschung von internationaler Bedeutung entwickle. Über den Eismann sei das Tor in die weite Welt geöffnet worden, sagte Seidler.
Während auf einem Stockwerk des Archäologiemuseums der über 5000 Jahre alte Feuchtmumie des Mannes aus dem Eis zu sehen ist, können sich die Museumsbesucher auf einem anderen Stockwerk ein Bild von zwölf der insgesamt 230 an der Lagune de los Condores gefundenen Trockenmumien der Chachapoya-Inka-Kultur machen. Neben den Mumien sind über 100 Alltags- und Kunsthandwerks-Objekte aus Textilien, Keramik, Holz und Metall ausgestellt. Modelle und Pläne rekonstruieren das kulturelle Umfeld der Wolkenmenschen. Zu sehen sind auch die „Khipus“, lange Schnüre mit unterschiedliche Formen und Kombinationen von Knoten, die den Chachapoya als Informationsträger dienten. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen der Mumien in den vergangenen Monaten in Wien haben das Wissen um die Toten erweitert und sind bereits Bestandteil der Ausstellung im Archäologiemuseum.

Die Chachapoya erhielten den Namen „Wolkenmenschen“ von ihren Eroberern, den Inkas. Man nimmt an, dass dies mit ihrer Eigenheit zusammenhängt, Siedlungen auf hohen, oft nebelverhangenen Berggipfeln und Gebirgskämmen zu errichten. Ihre architektonischen Meisterleistungen sind berühmt, speziell die riesige Steinfestung in Kuelap und die Nekropolis von Ravesh. Die Chachapoya gerieten im Laufe des 15. Jahrhunderts in Konflikt mit dem damals rapide expandierenden Inka-Imperium, dem sie nach langen und blutigen Kämpfen unterlagen. Nach Unterwerfung der Chachapoya erfolgte aber nicht deren Vernichtung, sondern die teilweise Assimilation durch die neue Herrscherschicht. Anfang des 16. Jahrhunderts drangen neue Invasoren ein: die spanischen Conquistadoren und die Chachapoya wurden schließlich zur Fron durch die neuen Herrscher gezwungen. Die spanischen Eroberer schleppten Krankheitserreger ein. Die durch Seuchen geschwächten Wolkenmenschen wurden zusätzlich durch die grausame Kolonialpolitik so weit dezimiert, dass ihre Kultur im 16. Jahrhundert zu existieren aufhörte.

Das trockene Mikroklima in den auf 3000 Meter Meereshöhe liegenden Gräbern bot ideale Voraussetzungen dafür, dass die Leichname der Chachapoya mumifizierten und sich bis heute fast unversehrt erhalten haben. Experten glauben, dass die Chachapoya ihre Toten als Orakel benutzten. Noch heute verbindet die Bewohner von Leymebamba ein sehr enges Verhältnis mit ihren Vorfahren. Die Ausreise der Mumien aus Peru wurde auch von der Zustimmung der lokalen Bevölkerung, die sich in direkter Nachfolge der Wolkenmenschen sieht, abhängig gemacht. Diese erfolgte auf einer Dorfversammlung, die auch Kommissare nach Bozen entsandt hat. Sie überwachen den Transport und die Ausstellung. Auch bei der Vorbereitung der Ausstellung der Mumien im Archäologiemuseum musste nach einem bestimmten Ritual vorgegangen werden.

Das außergewöhnliche an den Mumien der Chachapoya ist die Technik, mit der sie konserviert wurden. Im Gegensatz zu den ägyptischen Mumien blieben wichtige Teile der inneren Organe erhalten. So wurden nur Teile der Organe des Unterleibs entfernt. Aufgrund dieser Technik können z.B. die erhalten gebliebenen Lungen genauer untersucht werden.  Die konservierten Leichen befanden sich im Originalzustand in Stoffsäcken mit aufgemalten bzw. eingestickten Gesichtern. Sie wurden in Hockestellung etwa 300 Meter über dem Lago de los Condores in Fels-Grabnischen so beigesetzt, dass sie über den steilen Canyon „hinabblicken“.

In der Ausstellung „Das Geheimnis der Wolkenmenschen“ werden die Mumien in einem abgedunkelten Raum präsentiert. Besucher können die Ausstellung also auch anschauen, ohne die Mumien betrachten zu müssen. Das Archäologiemuseum unternimmt alle notwendigen Schritte, um die menschlichen Relikte respekt- und pietätvoll zu zeigen.

Die Ausstellung ist Teil eines Forschungsaustausches zwischen dem Archäologischen Museum in Leymebamba/Peru, dem Technischen Museum Wien und dem Südtiroler Archäologiemuseum. Während ihres Aufenthaltes in Europa werden die Mumien nicht invasiven technischen Untersuchungen unterzogen. Da die Wolkenmenschen noch nicht zur Gänze erforscht sind, versprechen sich Archäologen und Mumienforscher von den Analysen Einblicke in die Bestimmung der Verstorbenen, den Totenkult und ihre Lebensart.

Die Ausstellung über die Wolkenmenschen ist aus der engen Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur unter Ministerin Elisabeth Gehrer, dem Präsidenten des Fachbeirats für den Mann aus dem Eis, Seidler und dem Präsidenten der Südtiroler Landesmuseen, Hosp, entstanden. Im Tausch für die Wanderausstellung erhält das Museum in Leymebamba technische Hilfeleistung. Kooperationspartner für die Untersuchungen mit modernsten technischen Geräten sind die Fakultäten für Anthropologie und für Anorganische Chemie der Universität Wien, sowie die Fakultäten für Physik und für Medizin der Universitäten Wien und Innsbruck.

SAN

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