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Stellungnahme von LR Otto Saurer zum Gesetz über künstliche Befruchtung
LPA - Zum Gesetz über die künstliche Befruchtung - genauer zur medizinisch-assistierten Fortpflanzung - bezieht Gesundheitslandesrat Otto Saurer in einer Aussendung Stellung. "Die in Südtirol schon bestehenden Regelungen stehen im Einklang mit dem am Donnerstag dieser Woche im Senat verabschiedeten Gesetz. Wir waren der gesamtstatlichen Regelung sogar um Jahre voraus", erklärt Saurer und stellt Vergleiche der in Südtirol geltenden Bestimmungen mit dem Gesetz an.
Nachfolgend die Stellungnahme von Gesundheitslandesrat Otto Saurer im Wortlaut:"Nach vielen Anläufen, die sich über mehrere Legislaturen hingezogen haben, ist in Italien endlich ein Gesetz verabschiedet worden, das die Fragen der künstlichen Befruchtung, genauer: der medizinisch-assistierten Fortpflanzung nun regelt und einem oft beklagten „Far West“ in dieser Frage ein Ende bereitet. Südtirol war in diesem Punkt der nationalen Regelung um 5 Jahre voraus. Schon im Jahre 1998 war beim Assessorat für das Gesundheitswesen eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden mit dem Ziel, Rahmenrichtlinien als erste Orientierungshilfe zu erstellen, bis eine entsprechende staatliche Gesetzgebung in Kraft tritt. Diese Richtlinien sind dann als integrierender Bestandteil in den Beschluss der Landesregierung vom 30.07.2001 aufgenommen worden, durch die ein landesweiter Dienst für die medizinisch-unterstützte Befruchtung im Krankenhaus Bruneck errichtet wurde. Das im Jahre 2002 eingesetzte Landes-Ethikkomitee hat diese Richtlinien nochmals überarbeitet und am 17.5.2002 eine verbesserte Fassung vorgelegt.
Ein kurzer Vergleich mit dem neuen staatlichen Gesetz legt sich nahe:
1) Als oberstes Kriterium wird in den Rahmenrichtlinien des Landes der „Schutz und die Würde des mit der Kernverschmelzung der befruchteten Eizelle beginnenden menschlichen Lebens genannt“. Genau dieses menschliche Lebwesen wird sodann als Embryo bezeichnet. Jegliche Form der Intervention und Manipulation am Embryo, die nicht seiner Erhaltung dient, muss so abgelehnt werden. Dies liegt ganz auf der Linie des neuen Gesetzes, in dem schon im § 1 vom Rechtsschutz aller Betroffenen gesprochen wird, unter denen ausdrücklich der Embryo ab der Befruchtung genannt wird („il concepito“). Im § 13 werden sodann die verschiedenen Experimente an Embryonen untersagt.
2) Was den Zugang zu diesen Techniken betrifft so behalten sie die Rahmenrichtlinien des Landes, genauso wie das neue Gesetz, den verheirateten und in stabiler Lebensgemeinschaft verbundenen Paaren vor. Das neue Gesetz präzisiert, dass die Partner volljährig und beide noch lebend sein müssen, ebenso sollen sie in einem potentiell fruchtbaren Alter sich befinden. Die Landesrichtlinien sprechen hier in der Fassung vom 1998 (2001) von einem “natürlichen Alter für eine Elternschaft“, das nicht überschritten werden soll, während das Landesethikkomitee von einem biologischen Alter spricht, in dem „im Prinzip von beiden eine verantwortungsvolle Elternschaft und Erziehung übernommen werden kann“.
3) Wichtig ist auch, dass die Landesrichtlinien die Kriterien für die Zulassungsbedingungen nennen, nämlich sowohl „die Freiheit der Einzelnen und ihr Recht auf Inanspruchnahme sozialer Hilfe wie eben auch um die optimalen Voraussetzungen für das auf diese Weise gezeugte Kind“. Auf diese Weise, im Interesse der Familie und der Paarbeziehung, wird dann gesagt, dass generell nur eine „homologe Insemination bzw. Gametenspende“ in Frage kommt; eine heterologe Spende, wenn also der Same oder die Eizelle von einem Dritten (außerhalb des Paares) kommt, wird als „ethisch bedenklich“ angesehen. Auch das neue Gesetz schließt heterologe Spenden kategorisch aus.
4) Auf Fragen des informierten Konsenses bzw. auf das Verbot einer Aberkennung der Elternschaft, wie im Gesetz auf § 6,8-9 behandelt, gehen die Landesrichtlinien nicht ein, wohl aber betonen sie die Notwendigkeit einer psychischen Beratung und Begleitung der Paare.
5) Ein weiterer höchst kritisierter Punkt ist die Bestimmung, dass nur soviel Embryonen erzeugt werden dürfen, wie auch im Therapiezyklus wieder implantiert werden, und zwar höchstens drei. Auch hier stimmen die Landesrichtlinien mit dem neuen Gesetz überein. Eine Kryokonservierung, d.h. ein Einfrieren der Embryonen wird vom Landeskomitee als ethisch bedenklich angesehen; weniger bedenklich wäre dagegen eine Kryokonservierung im Vorkernstadium von Spermien und Eizellen. Laut dem Landeskomitee könnte eine Kryokonservierung der Embryonen nur in Ausnahmefällen wegen der geringeren Belastung der betroffenen Frauen „nachvollzogen“ werden. Das neue Gesetz spricht hier von einer „forza maggiore“ wegen eines unvorhergesehenen Gesundheitsproblems der betroffenen Frau. In diesem Fall dürften die Embryonen bis zur frühest möglichen Implantierung eingefroren werden. Hierzu wird immer wieder bemerkt, dass diese Bestimmungen frauenfeindlich seien, weil ja dann die Frauen immer wieder einer sehr belastenden Hormontherapie unterzogen werden müssten. Dazu soll aber bemerkt werden, dass es jetzt schon möglich ist, auch Eizellen einzufrieren – bei Samenzellen wird dies schon seit langem getan. Dann könnte man vor einer neuen Implantierung die Embryonen erst entstehen lassen. Vor ungefähr einem Jahr hatte der Gesundheitsminister Sirchia verstärkte Versuche in dieser Richtung angeordnet.
6) Im Gesetz ist auch die Möglichkeit eines Gewissenseinspruchs für das Gesundheitspersonal vorgesehen (§ 16), worauf die Rahmenrichtlinien des Landes keinen Bezug nehmen. Die Bestimmungen Südtirols waren auch von vornherein nicht so konzipiert, um alle Aspekte der Problematik zu behandeln, sondern vor allem um eine Handhabe dafür zu haben, welche Dienste in unserem Lande vom öffentlichen Gesundheitswesen übernommen werden können.
Zusammenfassend können wir feststellen, dass die Landesrichtlinien des Jahres 2001 sowie das Gutachten/Richtlinien des Landesethikkomitees aus dem Jahre 2002 die nunmehr beschlossenen staatlichen Gesetzesbestimmungen zur medizinisch-assistierten Fortpflanzung vorweggenommen hat und somit im Einklang mit diesen stehen. Alles in allem scheint die neue gesetzliche Regelung ein Mittelweg zwischen zwei Extremen zu sein, zwischen der Position des katholischen Lehramtes, welche alle Formen der künstlichen Befruchtung ablehnt, weil dadurch Geschlechtsverkehr und Zeugung auseinandergerissen werden, und einer liberalen Position, die für möglichst viel Freiheit in der so persönlichen Problematik der Erfüllung des Kinderwunsches plädiert, dabei die Frage des Lebensschutzes für Embryonen und auch Fragen des optimalen Wohls der auf diese Weise gezeugten Kinder kaum berücksichtigt."
bch