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Bericht des Landeshauptmanns zum Haushaltsplan des Landes für 2003
LPA - Wirtschaftlich steht Südtirol heute besser da denn je, autonomiepolitisch musste das Land im vergangenen Jahr einige Rückschläge hinnehmen. Mit diesem Kurzresümee eröffnete heute Vormittag Landeshauptmann Luis Durnwalder heute die Debatte zum Haushalt des Landes für das Jahr 2003. Weitere Schwerpunkte des programmatischen Berichts des Landeshauptmanns waren die Entwicklung der Strukturpolitik, die Vorschau auf die Programmabsichten für das kommende Jahr und die Europapolitik in Hinblick auf die bevorstehende EU-Erweiterung.
Beim Landeshaushalt zeige sich – so Landeshauptmann Durnwalder einleitend - ein ähnliches Bild wie in der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes: in beiden Fällen sei die vorhergesagte Rezession nicht eingetroffen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut zeichnet mit seinem prognostizierten Wirtschaftswachstum von zwei Prozent ein sehr positives Bild, das nur von der hohen Inflationsrate für Bozen von über drei Prozent getrübt wird. Dank "mehrerer glücklicher Umstände" sei es möglich gewesen, auch für das kommende Jahr eine Haushaltserhöhung festzuschreiben und den Einnahmenansatz im Vergleich zum Vorjahr um 264 Millionen Euro zu erhöhen. "Wir mussten also nicht, wie vielfach befürchtet, den Rotstift ansetzen", so Durnwalder.
Der rosigen wirtschaftlichen Situation steht ein eher durchwachsenes Jahr in autonomiepolitischer Hinsicht gegenüber. Man könne nur hoffen, dass das politische Klima zwischen Rom und Bozen in Zukunft besser werde, denn in Fragen der Autonomie gehe "schon seit längerer Zeit gar nichts mehr weiter", bedauerte der Landeshauptmann. Dazu komme die Tatsache, dass sich das politische Verhältnis der Sprachgruppen im Land verschlechtert habe. Grund dafür sei vor allem das Referendum über den Bozner Siegesplatz am 6. Oktober gewesen, das zu einer Spaltung in der öffentlichen Meinung und zwischen den Sprachgruppen geführt habe. "Es ist uns in all den Jahren noch nicht gelungen, ein gemeinsames Geschichtsbild unseres Landes aufzubauen", stellte Durnwalder fest. Das Ergebnis des Referendums habe auf jeden Fall keine Lösung gebracht, sondern die Entwicklung der Sprachgruppen in ihrem gegenseitigen Verhältnis und Verständnis zurückgeworfen und das zwiespältige Verhältnis zur Geschichte neu zementiert.
Das Ergebnis des Referendums vom 6. Oktober habe jedoch noch weitreichendere Folgen. Einige hochrangige Vertreter des Mitte-Rechts-Blocks hätten den Ausgang der Abstimmung zum Anlass genommen, mit verschiedenen Forderungen und Anträgen wesentliche Pfeiler der Südtiroler Autonomie in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang sei in den römischen Regierungskreisen und bei deren Vertretern in Bozen immer wieder von "notwendigen Anpassungen im Südtiroler Autonomiegefüge" die Rede. Es sei, so der Landeshauptmann sicher vernünftig und legitim, über Änderungen am Autonomiestatut nachzudenken. Allerdings müssten diese Änderungen stets zu etwas Besserem führen und von allen Sprachgruppen im Land gutgeheißen und mitgetragen werden. Einseitige Änderungen sowie Maßnahmen, die zu einer Verschlechterung der aktuellen Situation führen, würden schwerwiegende Folgen für das Zusammenwirken und Zusammenleben der Sprachgruppen im Lande haben, betonte der Landeshauptmann.
Zum derzeit in Rom diskutierten Devolutionsentwurf äußerte sich Durnwalder eher skeptisch: Für die Regionen und Länder mit Sonderstatut schaue "unterm Strich wenig oder gar nichts heraus", die Neuerungen seien "alles eher als der große Wurf". Von der "wegweisenden föderalistischen Neuerung", welche die Mitte-Rechts-Regierung zu Beginn der Legislaturperiode angekündigt hatte, sei nicht viel mehr als ein "Reförmchen" übrig geblieben.
Den Vorwurf von Minister Franco Frattini, in Südtirol herrsche eine "blockierte Demokratie", wies Durnwalder in seiner Rede zurück. Es gebe in Südtirol viele Kräfte, die mitreden und mitbestimmen. Dies zeigen gerade auch die vieldiskutierten Beispiele Universität, Bergmuseum oder Sparkasse. Gerade in letzter Zeit werde in dieser Hinsicht mehr schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen als notwendig. Ebenso klare Worte fand der Landeshauptmann in Bezug auf die Vorwürfe des Mitte-Rechts-Blocks über mangelnde Autonomie und Mitbestimmung für die Gemeinden. Das Land habe in den vergangenen Jahren konsequent Zuständigkeiten an die Gemeinden abgegeben, die Eigenverantwortung der Südtiroler Gemeinden sei noch nie groß gewesen wie heute.
In der Folge kam der Landeshauptmann auch auf die Entwicklung im Bereich Schule und Zweisprachigkeit zu sprechen. Die Bereitschaft zum Erlernen der zweiten Landessprache habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, insbesondere bei den italienischen Mitbürgern. Trotzdem hätten sich in letzter Zeit die Versuche gehäuft, das bestehende Schulsystem aufzuweichen. Hinter den von Kreisen der italienischen Sprachgruppe oftmals geforderten radikalen Neuerungen sei nicht nur der Wunsch nach besseren Erlernen der zweiten Sprache zu erkennen, sondern auch das Bestreben, die bestehenden Systeme zu vermischen. Dieser Wunsch rufe bei der deutschen und ladinischen Sprachgruppe die Sorge nach dem Verlust der eigenen Identität hervor. Diese habe ihren Bestand vor allem der Schule in der Muttersprache zu verdanken. "Wenn das System der Schule in der Muttersprache verwässert oder durch gezielte Maßnahmen unterlaufen wird, bildet sich eine konkrete Gefahr für die Identität selbst", mahnte der Landeshauptmann. Diese Sorge müsse von den Angehörigen der italienischen Sprachgruppe verstanden und respektiert werden.
Die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung haben für die ladinische Volksgruppe einen Zuwachs, wenn auch nur einen geringen, gebracht. Für die kommenden Jahre erachtete der Landeshauptmann eine verstärkte Zusammenarbeit auf dem kulturellen Gebiet, speziell mit den Ladinern der Provinz Belluno, für dringend notwendig. Auch werde die Landesregierung sich bemühen, die Geschichte und Kultur der Ladiner den beiden anderen Sprachgruppen näher zu bringen.
Unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt könne man Südtirol mit seiner Vollbeschäftigung angesichts der Probleme in den meisten europäischen Ländern als "ruhigen Pol in einer aufgewühlten Welt" bezeichnen. Die Ursachen dafür seien vor allem in der Arbeitsamkeit der Bevölkerung und der starken, auf mehreren Säulen beruhenden Volkswirtschaft zu suchen. Landwirtschaft, Industrie, Handwerk, Handel, Fremdenverkehr und Dienstleistungen seien nebeneinander und miteinander stark geworden. In den Statistiken zur Lebensqualität, zu den Leistungen der öffentlichen Verwaltung und zur Bürgernähe liege Südtirol immer weit vorne, in einigen Bereichen sogar an erster Stelle. Dies sei ein Zeichen dafür, dass die öffentlichen Mittel, die der Landesregierung von den Steuerzahlern anvertraut wurden, gut eingesetzt wurden.
Trotz allem werde die Landesregierung sich in den kommenden Jahren nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Vielmehr sei Vorsorge getroffen worden für Zeiten, in denen weniger Gelder zur Verfügung stehen werden. Infolge der spärlicher einfließenden Steuermittel werde es in den kommenden Jahren sicher mehr Sparmaßnahmen geben. Vor allem die Leistungen des Sozialstaates würden sich auf Dauer nicht im heutigen Umfang aufrecht erhalten lassen. Dies gelte vor allem für das Gesundheits- und das Rentenwesen, wo die Kosten in Zukunft nicht mehr zur Gänze von der öffentlichen Hand bestritten werden können. Ein Grund dafür liege in der demographischen Entwicklung. Das Verhältnis zwischen der arbeitenden Bevölkerung und den Rentnern verschiebe sich Jahr für Jahr zugunsten der letzteren. Dies ist die Folge von sinkenden Geburtenraten und der ständig wachsenden Lebenserwartung.
Die im abgelaufenen Jahr getroffenen Maßnahmen zur Kostenbeteiligung im Gesundheitswesen stießen bei Teilen der Bevölkerung auf Unverständnis und Proteste. Angesichts der Kostenentwicklung seien diese Maßnahmen jedoch unbedingt notwendig, um auch in Zukunft eine effektive und effiziente Grundversorgung für alle Bürger aufrecht zu erhalten., betonte der Landeshauptmann. Ähnliches gelte für das Rentensystem, wo der Staat in Zukunft nur noch eine Basisrente für alle garantieren könne. Auch hier sei in Zukunft vermehrt die Mitbeteiligung der arbeitenden Bevölkerung gefragt.
Ein weiteres wichtiges Anliegen in den kommenden Monaten ist die Strukturpolitik, also die Programmierung und Verwirklichung von Infrastrukturen. Vor allem beim Ausbau des Straßennetzes sei in den vergangenen Jahren einiges geschehen. In den kommenden Jahren gehe es vor allem darum, unnötigen Verkehr abzubauen, Umwegverkehr zu bekämpfen und die Gesellschaft von der Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen dem Schutz der Umwelt und der Volksgesundheit und den globalen Wirtschaftserfordernissen zu überzeugen. Die Landesregierung werde auch in Zukunft dezidiert für die Verwirklichung des Brennerbasistunnels eintreten. Zudem wolle man sich verstärkt um eine bessere Nutzung der bestehenden Brennerbahnstrukturen bemühen und die "rollende Landstraße" mit Beiträgen unterstützen. Weiters bekräftigte der Landeshauptmann das Nein der Landesregierung zu weiteren Nord-Süd-Autobahnen. Im kommenden Jahr sollen die Arbeiten zur Verbesserung der noch bestehenden Engpässe auf den Staats- und Landesstraßen fortgesetzt und die notwendigen Ortsumfahrungen verwirklicht werden. Ebenso ist im Jahr 2003 die Wieder-Inbetriebnahme der Vinschgauer Bahn vorgesehen.
Für große Diskussionen sorgte im abgelaufenen Jahr die Energiepolitik. Hier gehe es – so der Landeshauptmann - vor allem darum, "den natürlichen Reichtum an Wasserkraft, über den Südtirol verfügt, sehr viel stärker und direkter für das eigene Land nutzbar zu machen". Gemeinsam mit den Gemeinden und anderen öffentlichen und privaten Gesellschaften und Unternehmen sollen in den kommenden Jahren die notwendigen Strukturen für die Produktion, Verteilung und Vermarktung des in Südtirol produzierten Stroms geschaffen werden. Auch die Verhandlungen zur Übernahme der ENEL-Kraftwerke sollen weitergeführt werden.
Nach einer Vorschau auf die wichtigsten Programme in den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Umwelt, Humanität, Jugend und Familie kam der Landeshauptmann abschließend auf die Entwicklungen auf europäischer Ebene zu sprechen. In diesem Zusammenhang stellte er fest, dass der derzeit zirkulierende Verfassungsentwurf des Europa-Konvents vor allem in regionaler Hinsicht weit hinter den Erwartungen zurück geblieben sei. Die Rolle der Regionen müsse in der neuen EU-Verfassung unbedingt vertragsmäßig verankert werden.
Die bevorstehende EU-Osterweiterung bezeichnete Landeshauptmann Durnwalder einerseits als "Chance auf neue wirtschaftliche Horizonte", andererseits seien allerdings aus regionaler Sicht auch einige Gefahren zu beachten, die nicht unterschätzt werden dürften. "Die meisten der neuen Mitgliedsstaaten sind zentralistisch orientiert und haben traditionell wenig für Föderalismus übrig", stellte der Landeshauptmann fest. Es sei daher besonders wichtig, zum einen die Regionen der neuen Mitgliedsstaaten, dort wo es sie gebe, in das gemeinschaftspolitische Geschehen stark einzubeziehen, zum anderen die kleineren Mitgliedsstaaten für regionale Anliegen zu gewinnen.
In der EU-Agrarpolitik werde sich die Landesregierung auf europäischer und nationaler Ebene für eine Beibehaltung der Milchquoten einsetzen und alle weiteren Entwicklungen auf dem Gebiet der Agrarfinanzierungen sehr genau beobachten. Weiters werde man sich weiterhin für eine Berücksichtigung der Berglandwirtschaft bei der Förderung der strukturschwachen Gebiete einsetzen.
Im vom Landeshauptmann nicht verlesenen Teil des Haushaltsberichtes sind die wichtigsten programmatischen Ziele der einzelnen Landesabteilungen für das kommende Jahr und der Jugendbericht 2002 angeführt.
In der Anlage der vollständige Bericht des Landeshauptmanns zum Haushaltsplan des Landes 2003:
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