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Arbeitsmarktreform in Kraft: Flexibilisierung, aber auch Bürokratie

Mehr Flexibilität und mehr Dynamik soll die jüngste Reform in den italienischen Arbeitsmarkt bringen, gleichzeitig aber auch den Stand unbefristeter Arbeitsverhältnisse gegenüber prekären festigen. Die Spitze der Arbeitsverwaltung des Landes hat heute (18. Juli), am Tag des Inkrafttretens der Reform, deren Inhalte erläutert, sich mit einer Prognose der Folgen aber zurückgehalten.

Ende Juni hat das Parlament die von Ministerin Elsa Fornero vorgelegte Reform des Arbeitsrechts verabschiedet. Ob damit deren Ziele, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und eine Aufwertung unbefristeter Arbeitsverhältnisse, erreicht werden können, wird sich weisen, ist die Spitze der Arbeitsverwaltung des Landes - Andrea Zeppa, Ressortdirektor von Landesrat Roberto Bizzo, Helmuth Sinn, Direktor der Landesabteilung Arbeit, Michael Mayr, Direktor des Arbeitsservice, und Gleichstellungsrätin Simone Wasserer - überzeugt. Zum einen seien die Folgen eher mittel- und langfristige, zum anderen sei das Gesetz derart komplex, dass noch Interpretationen ausstünden. Und auch Nachbesserungen hat die Regierung angekündigt. Ein Fazit der Reform hat Abteilungsdirektor Sinn heute allerdings bereits gezogen. Die Reform bringe ein Mehr an Bürokratie für Arbeitnehmer, -geber und -verwaltung: "Bürokratie pur", so Sinns Bilanz zum Gesetz.

Landesrat Roberto Bizzo, in der Landesregierung für den Bereich Arbeit zuständig, geht davon aus, dass die Reform greife. Er gibt allerdings zu bedenken, dass Arbeitsrecht und Arbeitsmarkt nicht synonym zu verwenden seien. "Das zeigt schon die Tatsache, dass es in Italien 30 Provinzen gibt, die eine Arbeitslosenrate von unter sechs Prozent aufweisen, und 20, in denen diese Rate bei über 15 Prozent liegt - dies, obwohl für alle das selbe Arbeitsrecht gilt", so Bizzo.

Die erste Säule der Fornero-Reform, jene, die mehr Flexibilität bringen soll, baut auf einer Lockerung des Kündigungsschutzes in Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitern auf. "Von der radikalen Reform, die angekündigt war, ist nur ein Kompromiss übriggeblieben", erklärte Sinn. So gibt es keine umwälzenden Neuerungen bei Entlassungen, die aus triftigen oder auch diskriminierenden Gründen erfolgen, sehr wohl aber bei solchen, denen wirtschaftliche Gründe zugrunde liegen. Sie wurden insofern erleichtert, als dass das bisher geltende Recht des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung zugunsten einer Schadenersatzleistung von 12 bis 24 Monatslöhnen abgeschafft wurde. "Es wird demnach eine wirtschaftliche Überlegung für Unternehmen, bei guter Konjunktur Leute einzustellen, nachdem diese in wirtschaftlich schlechteren Zeiten bei Zahlung eines Ausgleichs entlassen werden können", so Ressortdirektor Zeppa.

Wie sich diese Regelung auf den Südtiroler Arbeitsmarkt auswirken werde, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Zum einen betreffe sie nur fünf Prozent aller Betriebe im Land, nachdem sie nur für solche mit mehr als 15 Mitarbeitern gilt, zum anderen beschäftigten diese Betriebe die Hälfte aller Angestellten im privaten Sektor. Die neue Regelung könne, so Zeppa, aber als Signal an die Unternehmen verstanden werden, in wirtschaftlich guten Zeiten junge Menschen einzustellen, also auch dem zur Zeit statischen Arbeitsmarkt in Südtirol neue Impulse verleihen.

Neben der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes setzt sich die Fornero-Reform die Stärkung unbefristeter Arbeitsverträge gegenüber befristeten oder prekären zum Ziel. Letztere werden im Zuge der Reform eingeschränkt. So können auf zwölf Monate befristete Verträge künftig nicht mehr verlängert werden. Zudem wurden die Fristen verlängert, die zwischen zwei befristeten Verträgen verstreichen müssen. Bei Nichteinhaltung dieser Zeitspannen gilt der (eigentlich) befristete Vertrag als unbefristet. Zugleich muss allerdings für einen ersten auf ein Jahr befristeten Vertrag keine Begründung mehr geliefert werden. "Damit könnte jungen Menschen der Einstieg in die Arbeitswelt erleichtert werden", so Amtsdirektor Mayr heute.

Eingeschränkt werden darüber hinaus die Arbeit auf Abruf, die geringfügige Beschäftigung und die Projektarbeit, deren Inhalte und Ergebnisse künftig genauer spezifiziert werden müssen. Und auch "falschen" Selbständigen, also jenen, die de facto exklusiv für ein Unternehmen arbeiten, will man beikommen. Dies erreicht man dadurch, dass ein Selbständiger, der mehr als acht Monate im Jahr für ein einziges Unternehmen arbeitet, mehr als 80 Prozent seiner Einkünfte von diesem bezieht oder dort einen Arbeitsplatz hat, als Projektarbeiter eingestuft wird.

Nach Ansicht von Gleichstellungsrätin Wasserer bescheiden ausgefallen ist eine dritte Säule der Reform: jene der vor allem auf Frauen bzw. Eltern zielenden Neuerungen. In diesem Bereich ist lediglich eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes im Falle einer Mutterschaft (Mutterschutz) bis zum dritten Lebensjahr sowie die probeweise Einführung eines obligatorischen "Vatertags" zu nennen. Letzterer ist ein arbeitsfreier Tag des Vaters in den ersten fünf Lebensmonaten des Kindes. Neu (und auch nur probeweise) ist zudem ein Gutscheinsystem, das in den elf Monaten nach der obligatorischen Mutterschaft greift und Voucher für Babysitting-Dienste oder Kinderhortkosten vorsieht.

Auf die vierte Säule der Reform, die Neuregelung von Arbeitslosengeld und Lohnausgleich wollte die Spitze der Arbeitsverwaltung heute schließlich nicht eingehen. Sie trete erst Anfang 2013 in Kraft, Nachbesserungen seien bereits angekündigt worden, sodass man noch nicht im Detail abschätzen könne, wohin die Reform endgültig gehe.

chr

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