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Gesetzentwurf über die Patientenverfügung: Ethikkomitee besorgt

LPA - Das Ethikkomitee des Landes Südtirol hat sich eingehend mit dem Gesetzentwurf zur Patientenverfügung befasst, der in der Abgeordnetenkammer in Rom zur Behandlung ansteht. In einer Stellungnahme, die auch an die zuständigen parlamentarischen Stellen in Rom gesandt wird, bringt das Komitee seine Besorgnis und seine Hoffnung auf Änderungen zum Ausdruck.

Der vom Abgeordneten Raffaele Calabrò vorgelegte und vom Senat bereits am 26. März 2009 genehmigte Gesetzesentwurf "Bestimmungen zur therapeutischen Allianz, Einwilligung nach Aufklärung und Patientenverfügung" soll in neun Artikeln die Arzt-Patientenbeziehung regeln. "Allerdings enthalten diese Artikel besorgniserregende Verzerrungen, die nicht nur eine Einschränkung der Rechte und Autonomie des Menschen bedeuten, sondern darüber hinaus auch – in krassem Widerspruch zu den Bestimmungen des ärztlichen Verhaltenskodex und den international verankerten Menschenrechten - die Autonomie und Verantwortung des Arztes gefährden", heißt es in der vom Präsidenten des Landesethikkomitees, Herbert Heidegger, unterzeichneten Stellungnahme. Dabei sei die Autonomie des Patienten ein unumstößlicher ethischer Wert in der Arzt- Patienten-Beziehung. Eine Verletzung dieser Autonomie würde zu einem nachhaltigen Vertrauensbruch zwischen Arzt und Patient führen, ist das Komitee überzeugt.

Der Gesetzesentwurf geht von der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens aus (Art. 1) und legt Regeln zu Form und Gültigkeitsdauer der Patientenverfügung fest: Diese muss schriftlich verfasst und vom Arzt für Allgemeinmedizin unterzeichnet werden und ist dann fünf Jahre lang gültig. Artikel 3 sieht vor, dass die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit in jedem Fall bis zum Lebensende gewährleistet werden muss und somit nicht Gegenstand der Patientenverfügung sein darf. Außerdem enthält der Gesetzesentwurf Bestimmungen, wonach die in der Patientenverfügung geäußerten Behandlungswünsche für den Arzt grundsätzlich nicht verbindlich und immer dann als irrelevant zu erachten sind, wenn für die betroffene Person direkte Lebensgefahr besteht (Art. 7 und 4).

"Es ist festzuhalten, dass die Selbstbestimmung eines Menschen auch dann zu respektieren ist, wenn dieser sich selbst nicht mehr äußern kann. Zuvor geäußerte Behandlungswünsche sind in diesen Situationen unbedingt zu berücksichtigen", betont in diesem Zusammenhang das Landesethikkomitee, es verweist darauf, dass "jeder in einer Patientenverfügung vorausverfügte Behandlungswunsch vor der Umsetzung einer sorgfältigen Überprüfung im Dialog mit dem gesetzlichen Vertreter bzw. den Angehörigen des Patienten" bedürfe.

"Das Landesethikkomitee zeigt sich angesichts der Inhalte dieses Gesetzesentwurfs, wonach dem Leben, das um jeden Preis und mit allen verfügbaren Mitteln zu schützen ist, eine rein biologische Bedeutung zukommt, zutiefst besorgt. Dadurch werden Formen absurden therapeutischen Übereifers zulässig, die schlussendlich eine Verletzung der in unserer Staatsverfassung festgelegten unverletzlichen Menschenrechte darstellen, an erster Stelle die Autonomie des Menschen (Art. 2, 13 und 32.2) und das in Artikel 32.1 enthaltene Recht (nicht die Pflicht) auf Heilbehandlungen", heißt es in der Stellungnahme. Und weiter: "Wir möchten auch daran erinnern, dass Art 32.2 der Verfassung das Recht vorsieht, Behandlungen zu verweigern (diese sind demzufolge nicht verpflichtend); in jedem Fall ist die Würde der menschlichen Person zu gewährleisten."

Das Landesethikkomitee ist der Meinung, "dass das Grundrecht auf Ernährung sich nicht auf invasive Maßnahmen wie die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit über eine Sonde oder eine Infusionstherapie erstreckt. Dies ist eine legitimationspflichtige medizinische Behandlung, deren Durchführung der Patient wirksam ablehnen kann". Zu berücksichtigen sei, so das Komitee, dass künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr im Endstadium einer Erkrankung für die betroffenen Patienten oft auch eine Belastung darstellten und aus diesem Grunde medizinisch nicht mehr indiziert sein können.

Die Mitglieder des Komitees geben abschließend ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Debatte im Parlament zu Abänderungen des Gesetzesentwurfes führen möge, wodurch die Arzt-Patientenbeziehung wieder auf ethischen Grundlagen und Gleichberechtigung aufbaue, in deren Mittelpunkt nicht vorgefertigte ideologische Haltungen, sondern echte Solidarität (und Menschlichkeit) stehen, ohne die jede therapeutische Beziehung sinnentleert erscheine.

jw

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