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Mittsommergespräch mit LH Durnwalder: "Kein Grund für Weltuntergangsstimmung"

(LPA) Die bereits traditionelle tour d'horizon hat Landeshauptmann Luis Durnwalder heute (12. August) im Mittsommergespräch mit den Südtiroler Journalisten hinter sich gebracht und die vergangenen Monate auf europäischer, gesamtstaatlicher, regionaler und Landes-Ebene Revue passieren lassen. Und auch mit Ausblicken hat der Landeshauptmann nicht gespart.

Überblick, Rückblick und Ausblick: LH Durnwalder mit Journalisten in Pfalzen
Bereits zur Tradition geworden ist, dass Durnwalder seinen Überblick mit der großen Politik in der europäischen Hauptstadt beginnt. "Schließlich werden bereits rund 70 Prozent aller Agenden direkt oder indirekt in Brüssel entschieden", so Durnwalder. Die Meilensteine im abgelaufenen Jahr seien dabei mehrere gewesen, etwa die Diskussion rund um die EU-Verfassung. Eine Diskussion, die Durnwalder mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgt hat. "Zum einen sind Regionen und Minderheiten in der Verfassung zwar erwähnt und damit verankert, zum anderen werden ihnen darin aber keine expliziten Rechte zugeschrieben", so der Landeshauptmann. Allerdings müsse man in den Staaten zur Kenntnis nehmen, dass im Europa der 25 156 Minderheiten existierten, deren Interessen es zu wahren gelte. Die Ablehnung der EU-Verfassung in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden wertet der Landeshauptmann übrigens als Zeichen der Unsicherheit der Bürger.
Erwähnung fand bei der heutigen Pressekonferenz auch das Thema der EU-Fördermittel, die in Zukunft - so die Vorausschau Durnwalders - für Südtirol wohl spärlicher fließen werden als sie dies bisher getan haben. "Damit werden etliche Programme, wollen wir sie weiterführen, durch Mittel aus dem Landeshaushalt finanziert werden müssen", so der Landeshauptmann.
In Brüssel bleibend ging Durnwalder auf das Jahrhundert-Bauprojekt Brennerbasistunnel ein. Auch dank des Besuches von Kommissar Jacques Barrot stehe mittlerweile ein Finanzierungsgerüst, das die Übernahme von je 50 Prozent der Kosten für die Planung und den Bau des Pilotstollens durch die EU vorsieht, sowie von 20 Prozent der Kosten für den Bau des eigentlichen Tunnels. "Wir hoffen natürlich, dass aufgrund der europäischen Bedeutung dieses Projekts die EU ihren Anteil am Bau des BBT noch erhöhen wird", so der Landeshauptmann. Aber, so Durnwalder weiter, "glauben Sie mir eins: der Tunnel wird gebaut." Und das Land wird mit von der Partie sein. Aus diesem Grund sollen drei Gesellschaften aus der Taufe gehoben werden, die sich um die Planung, den Bau und die Führung des Tunnels kümmern sollen. Gesellschaften, in denen das Land gleichermaßen vertreten sein werde, wie etwa der Schienennetzbetreiber RFI.
Letztes großes EU-Thema, das heute zur Sprache kam, war die Neuregelung der Volkszählung: "Ich denke, wir haben hier eine vernünftigte und für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden, mit der der Proporz gesichert und eine Menge Bürokratie abgebaut wird", so Durnwalder heute. Nun solle es aber keine Abänderungen an der Regelung mehr geben, auch wenn EU-Kommissar Franco Frattini diese immer wieder ins Gespräch bringe.

Nächste virtuelle Station, die der Landeshauptmann heute in Pfalzen ansteuerte, war Rom. Und dabei ging es vor allem um die Sicherung der Autonomie. "Ich bin der Meinung, dass wir durchaus zufrieden sein können mit der derzeitigen Situation rund um unsere Autonomie", so Durnwalder. "Denn auch wenn es immer wieder einmal Stürme gibt, die das Schiff bewegen, und manch einer dabei auch Angst empfindet - im Großen und Ganzen haben wir unsere Autonomie verteidigt, und zwar mit Erfolg", so der Landeshauptmann.
Zu verteidigen gewesen sei die Autonomie in erster Linie im Zusammenhang mit der Verfassungsreform in Italien. Man habe nicht hinnehmen können, dass die autonomen Regionen mit jenen mit Normalstatut auf eine Ebene gestellt würden, denn das wäre einer Beschneidung des Sonderstatus' gleichgekommen, erklärte der Landeshauptmann. Entsprechend groß sei der Widerstand gegen eine solche Lösung gewesen. "Dank des Einsatzes aller autonomiefreundlichen Parteien und Österreichs ist es uns gelungen, Böses abzuwenden", so Durnwalder. Der heute zur Diskussion stehende Entwurf sei nun nicht mehr nur akzeptabel, sondern in manch einem Punkt sogar positiv zu bewerten, "etwa wenn es darum geht, dass Änderungen am Statut nur noch mit unserer Zustimmung erfolgen dürfen."
Was die noch ausständigen Durchführungsbestimmungen angehe, so "sind diese nichter gerade rapide weitergegangen", so Durnwalder. Zwar habe man nun jene zum zweisprachigen Prozess erlassen, die einige Erleichterungen mit sich bringt, etliche andere, darunter jene zum Übergang des Konservatoriums stünden allerdings noch aus.
Auch in Sachen Abtretung von ungenutzten Staatsimmobilien trete man derzeit auf der Stelle. "Eigentlich müsste nun wieder eine neue Verhandlungsrunde eröffnet werden, doch der Staat behauptet plötzlich, alle seine Immobilien in Südtirol noch zu nutzen", so Durnwalder. In diesem Zusammenhang wies der Landeshauptmann auf ein Problem hin, das die Umstellung des Heeres auf eine Berufsarmee mit sich bringe: die Unterbringung der Soldaten. "Wir verhandeln derzeit mit dem Staat, damit dieser die Wohnungen innerhalb der Kasernen baut", so Durnwalder, der sich eventuell auch einen Handel vorstellen können: "Nach dem Motto: wir bauen euch die Wohnungen und bekommen dafür Grundstücke", so der Landeshauptmann.
Was das leidige Problem des Gefängnisses in Bozen betrifft, wies der Landeshauptmann auf die Möglichkeit hin, dass Unternehmer mit dem Staat in verhandlungen treten könnten. Sie könnten ein geeignetes Grundstück ausfindig machen, nach den Vorgaben des Staates ein Gefängnis errichten und dieses schlüsselfertig verkaufen. "Damit würde man sich nicht nur eine Menge Zeit, sondern alle Seiten auch Geld sparen", so Durnwalder.

In Südtirol angelangt, nahm Durnwalder zunächst die wirtschaftliche Situation im Lande unter die Lupe. "Sicher, es gibt ein paar Anzeichen, die Grund zur Sorge sind, alles in allem stehen wir aber nach wie vor gut da", so Durnwalder. Für eine solche optimistische Sicht würden die Anzahl der Neugründungen von Unternehmen sprechen (über 400 im vergangenen Jahr), das nach wie vor über zwei Prozent liegende Wirtschaftswachstum oder die Steigerung der Exporte. "Ich sehe deshalb absolut keinen Grund für Weltuntergangsstimmung", so Durnwalder.
Trotzdem gebe es Bereiche, in denen man aktiver werden müsse: Innovation, Forschung und Entwicklung sei so ein Bereich. "Wir sind dabei, zwei Strukturen aus der Taufe zu heben, die in diesem Bereich die Entwicklung beschleunigen sollen", so der Landeshauptmann. Die eine sei jene Gesellschaft, die den Technologiepark vorantreiben solle, eine Gesellschaft also, in der öffentliche wie private Träger zusammen arbeiten würden, in der das BIC vertreten sei und die mehr leiste, als Büros und Strukturen zu vermitteln. "Die Gesellschaft soll den Unternehmen auch mit anderen Diensten im Bereich der Forschung und Entwicklung zur Seite stehen", so Durnwalder.
Der zweite Schritt soll mit der Bildung einer Agentur - auch sie mit öffentlichen und privaten Trägern - gesetzt werden, die vor allem Unternehmen dafür gewinnen soll, sich in Südtirol anzusiedeln, "und zwar Unternehmen, die gute, gesunde und zukunftsorientierte Arbeitsplätze bieten", so der Landeshauptmann.

In Sachen Verkehr - und neben dem Jahrhundertprojekt Brennerbasistunnel - ging es Durnwalder heute vor allem darum, einen Ausblick zu wagen. "Der wichtigste Schritt, den wir in Zukunft setzen müssen, ist, in Brüssel als sensibles Gebiet anerkannt zu werden", so Durnwalder. Und zwar gemeinsam mit dem Bundesland Tirol und dem Trentino. Nur darauf aufbauend könne man nachhaltige Maßnahmen zur Verkehrsentlastung und Luftverbesserung ergreifen, so Durnwalder. Wobei letzteres Ziel auch quantifiziert wird: So soll in den nächsten Jahren die Luftverunreinigung um sieben Prozent gesenkt werden, gab der Landeshauptmann vor.
In diesem Zusammenhang wies Durnwalder auch auf die Problematik der Feinstaubbelastung hin. Er sei nicht prinzipiell gegen Sperrungen von Städten für den Verkehr, "nur glaube ich nicht, dass damit das Problem gelöst wird", so der Landeshauptmann. Wichtig sei, sich nun ein detailliertes Bild über die Gesamtsituation und über alle Verursacher der Feinstaubbelastung - Heizungen und Industrie genauso wie Verkehr - zu verschaffen, um darauf aufbauend effiziente Maßnahmen zu setzen. Wobei einige Schritte bereits dringlich seien. "So glaube ich, dass man den Mut aufbringen muss, die größten Verschmutzer, also Euro-0- und Euro-1-Fahrzeuge gänzlich aus dem Verkehr zu ziehen", so Durnwalder.
Auch sei in diesem Zusammenhang der öffentliche Transport zu verbessern, etwa indem die Anzahl der Züge erhöht und die Fahrpläne zwischen Zug und Bus besser koordiniert würden. Entsprechende Verhandlungen mit RFI seien bereits im Laufen. Erfreut zeigte sich der Landeshauptmann über die Erfolge der Vinschger Bahn, wobei er auch hofft, dass diese Erfolge kein Strohfeuer seien.
"Wir müssen ehrlich sein: Die Situation auf den Staatsstraßen ist den heutigen Bedürfnissen nicht angemessen", erklärte der Landeshauptmann heute weiter. Deshalb sei ein punktueller Ausbau in bewohnten Gebieten dringend notwendig. Durnwalder nannte heute die Umfahrungen von Vintl, Leifers, Brixen und Meran, aber auch die Einfahrt ins Gadertal oder den Ausbau des Teilstückes Forst-Töll als Beispiele. "Wir werden all diese Ausbauten mit Gemeinden und Umweltverbänden absprechen", so Durnwalder. Er könne sich sogar vorstellen, die Gemeinden hier noch stärker in die Pflicht zu nehmen: "Wenn wir bauen, dann sind die Widerstände doch bereits vorprogrammiert", so der Landeshauptmann. Aus diesem Grund sollten die Gemeinden verstärkt Planungsaufgaben wahrnehmen und eventuell auch für die Verfügbarkeit der notwendigen Gründe sorgen.
Als "Jahrhundertprojekt" bezeichnete Durnwalder schließlich die Neugestaltung des Bozner Bahnhofes, wobei man sich erst darüber klar werden müsse, was man überhaupt wolle: eine Verlegung - und, falls ja, wohin - oder eine Überbauung. "Dann ist der Weg frei, hier ein ganzes neues Stadtviertel zu errichten", so Durnwalder. "Das ist die Chance für die Entwicklung der Landeshauptstadt." Zwei Experten seien derzeit damit beschäftigt, die rechtlichen Grundlagen in diesem Zusammenhang zu klären.

Im Energiebereich gehe es darum, den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen von 40 auf mindestens 50 Prozent anzuheben. Daneben wolle das Land gemeinsam mit den Gemeinden auch an einigen Stellen die Wasserkraft zur Stromerzeugung nutzen. "Die Erlöse sollten in die Sicherung von Bächen und Flüssen oder in die Beseitigung von Unwetterschäden fließen", so Durnwalder.
Auch in Sachen Stromverteilung werde das Land nun in die Pflicht genommen, müsse man doch feststellen, dass etwa die ENEL bereits seit langem nicht mehr in das Verteilernetz investiere. "Sicher, für die Gewerbezone in Bruneck oder Brixen finde ich Dutzende Anbieter, aber was ist mit dem einzelnen Bergbauernhof?", so Durnwalder. Um auch hier die Versorgung mit Energie sicherzustellen, müsse sich das Land verstärkt auch in diesem Bereich engagieren.

Auch den Gesundheitsbereich hat Landeshauptmann Durnwalder heute angesprochen. Eine Neuordnung sei notwendig, wolle man die Qualität weiter steigern, ohne dass die Kosten ins Untragbare stiegen, so Durnwalder. Wie eine solche Neuordnung aussehen werde, sei noch offen und müsse auf der Grundlage der entsprechenden Expertenberichte erst diskutiert werden. "Ich schließe eine Reduzierung der Sanitätsbetriebe nicht aus, will aber auch nicht so verstanden werden, dass sie kommen muss", so Durnwalder. In jedem Fall werde man die Neuordnung mit Parteien und Lokalkörperschaften diskutieren und keine Entscheidung über die Köpfe hinweg treffen.

Zur Eile treibt der Landeshauptmann in Sachen Pflegeversicherung. Noch im Laufe dieses Jahres müsse die grundsätzliche Entscheidung fallen, ob man die Versicherung wolle oder nicht. "Für mich ist es nicht verständlich, dass nun einige Wirtschaftsverbände dagegen Sturm laufen, und zwar mit dem Argument, eine weitere Belastung sei den Betrieben nicht zuzumuten", so Durnwalder. Es gehe hier aber um keine zusätzliche Belastung der Betriebe. Vielmehr müssten die einzelnen Familien die Versicherungsbeiträge aufbringen.

Doch die Pflegeversicherung sei nicht die einzige Entscheidung, die noch bis Jahresende zu treffen sei. Auch jene für oder gegen die Tourismusabgabe stehe aus, ebenso jene über das Wahlgesetz und ein neues Urbanistikgesetz. Und auch der Dauerbrenner Toponomastik müsse geregelt werden, auch wenn dies nicht ohne Proteste abgehen werde, so der Landeshauptmann.

chr

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